Schuld war nur die Badewanne
Industrie gefunden, womit allerdings ein Umzug nach Mainz verbunden sei, aber eine Wohnung gebe es bereits. Er informierte eine Umzugsfirma und zog mitsamt Ehefrau, Hund Mäx sowie inzwischen vergrößertem Hausrat nach Norden. Seitdem steigt er die Karriereleiter stetig aufwärts, aber da Vicky sich beharrlich weigert, den Führerschein zu machen und auf diese Weise selber mobil zu werden, sehen wir uns relativ selten. Die Telekom verdient jedoch ganz gut. Vicky ruft grundsätzlich tagsüber an.
Als Sascha das Kindergartenalter erreicht hatte und nur noch nachmittags mit dreckbeschmierten Gummistiefeln durchs Haus marschierte, entschlossen wir uns zu einem dritten Kind, das hoffentlich ein Mädchen werden und mit Puppen statt mit verbeulten Blechbüchsen spielen und keine halbtoten Mäuse in den Taschen herumschleppen würde. Es wurde tatsächlich ein Mädchen – zumindest optisch. Kinderbilder zeigen ein niedliches Gör mit großen dunklen Augen und einem fast schwarzen Lockenkopf. Nur bei der Erziehung müssen wir etwas falsch gemacht haben. Stefanie entwickelte sich zum dritten Jungen, schmiss die Puppen aus dem Puppenwagen und setzte Nachbars einäugige Katze rein, klaute ihren Brüdern die Matchbox-Autos und wünschte sich zum Geburtstag Fußballschuhe. Ihre Freunde waren überwiegend männlichen Geschlechts, mit denen sie sich herumprügelte und dabei meistens die Oberhand behielt. Die letzte Keilerei erlebten wir, als sie elf war und sich mit Busenfreund Manuel in den Haaren lag. Diesmal siegte männliche Kraft über weibliche Finessen, und soviel ich weiß, haben die beiden Kontrahenten seitdem nie wieder ein Wort miteinander gewechselt.
Meine Vorstellung von einem Mädchen hatte aber ganz anders ausgesehen! Statt pastellfarbener Kleidchen kaufte ich robuste Lederhosen für Steffi, statt Lackschühchen feste Treter mit Lkw-Bereifung, und das kleine silberne Armband, Geschenk von Oma zum vierten Geburtstag, hing schon am nächsten Tag zerrissen an einem Ast vom Mostapfelbaum.
Also ein letzter Versuch, die männliche Vorherrschaft in unserer Familie zu brechen. Nicole sollte unsere Tochter heißen, einen Jungennamen hatten wir erst gar nicht parat. Einen zweiten Mädchennamen aber auch nicht! Wer rechnet schon mit Zwillingen??? Bei der ersten Begutachtung seines doppelten Nachwuchses meinte Rolf denn auch: »Welche von den beiden ist denn nun der Mengenrabatt?«
Seit jenem Tag sind 23 Jahre vergangen. Die Zwillinge studieren in Heidelberg, haben eine kleine Dachgeschosswohnung, sind fest mit jeweils einem Thomas verbandelt, was sie aber nicht hindert, an den Wochenenden häufig und grundsätzlich ohne Vorwarnung im Elternhaus aufzutauchen, oft genug mit Kommilitonen im Schlepptau, die genauso abgebrannt sind wie sie selber, den Kühlschrank halb leer fressen und mit den verbliebenen Resten im Kofferraum zwei Tage später wieder abziehen.
Dackel Otto wurde bereits erwähnt. Laut Stammbaum heißt er »Zorro von der Frankenhöhe«, doch trotz der adeligen Herkunft lassen seine Manieren sehr zu wünschen übrig. Hundedamen gegenüber verhält er sich ausgesprochen chauvinistisch, und von Heldenmut kann auch keine Rede sein. Seine Vorfahren haben Pokale eingeheimst und sogar Prüfungen abgelegt als Stöberhund und KaninchenschleppeHerauszieher, was immer das auch bedeuten mag, doch Otto türmt schon winselnd unter den nächsten Stuhl, sobald er nur Katjas Goldhamster wittert.
Womit die Familie vorgestellt wäre und das Buch endlich anfangen kann.
[home]
Alle Jahre wieder
W enn die in den nächsten zehn Minuten nicht einreiten, fangen wir an«, moserte Sven, »mein Magen hängt schon in den Kniekehlen!«
»Da wäre er eine Zeitlang ganz gut aufgehoben.« Katja warf einen vielsagenden Blick auf Svens Taille. »Als ich dir den Gürtel zum Geburtstag geschenkt habe, hat er noch im dritten Loch gepasst.«
»Alle Säugetiere der nördlichen Hemisphäre legen sich Winterspeck zu, das hat die Natur so vorgesehen«, behauptete er grinsend, »aber ich fange ja schon an, ihn wieder abzubauen.«
»Wie denn?«
»Mit einer Joghurtdiät.«
Jetzt wurde Steffi aufmerksam. »Davon habe ich noch nie was gehört. Was darfst du denn da essen?«
»So ziemlich alles. Außer Joghurt.«
»Idiot!!!«
Heiligabend. Fest des Friedens und der Familie. Die Familie war fast vollzählig versammelt, doch die friedliche Stimmung geriet bereits ins Wanken. Die ersten zwei Würstchen waren auch schon geplatzt. Ich schaltete
Weitere Kostenlose Bücher