Schuld war nur die Badewanne
finde ich auch nicht so doll.«
»Dein – wie war das noch? – Neubulä hört sich aber auch ziemlich bescheuert an. Was will dein neuer Fan denn überhaupt von dir?«
»Lies doch selber!« Ich schob ihr den Brief hinüber und formulierte in Gedanken schon eine Antwort.
»Du sollst da ’ne Lesung abhalten?« Kopfschüttelnd gab mir Steffi das Schreiben zurück. »Manche Leute haben wirklich merkwürdige Einfälle. Für nur einmal lesen ist der Weg doch viel zu weit.«
Frau S. hatte mir mitgeteilt, dass man ihr schon früher einige Bücher von mir hinübergeschmuggelt habe, und momentan würde jenes Opus vor ihr liegen, in dem ich die Erlebnisse auf einer Lese-Tournee geschildert hatte. Jetzt wollte sie fragen, ob ich solch eine Reise nicht mal in den neuen Bundesländern unternehmen und natürlich auch in Wandlitz Station machen könnte. Für Unterkunft, zumindest bei ihr, sei gesorgt.
Nun ist das mit Lesungen ja nicht so ganz einfach. Da erkundigt sich zum Beispiel ein Buchhändler beim Verlag, ob dieser oder jener Autor sich bereitfinden würde, nach Kassel, Würzburg, Castrop-Rauxel oder in einen Ort, den manchmal nur seine Einwohner kennen, zu einem Leseabend zu kommen. Der Verlag erkundigt sich beim Autor, und der sagt erst mal NEIN . Weil er keine Lust hat, weil die betreffende Stadt fünf Autostunden weit entfernt ist, weil Frau, Kinder, Hund, Katze krank sind oder das Pferd in Kürze fohlen wird. Außerdem arbeitet er gerade an einem neuen Werk, hat also gar keine Zeit, und in Urlaub will er auch noch fahren. Der Verlag sieht das ein und vertröstet den Buchhändler auf einen späteren Termin. Irgendwann wird sich schon eine Möglichkeit ergeben.
Dann kommt die Buchmesse, auf der der Autor sein neues Werk präsentiert hat, und nun ist er auch zu anderen Taten bereit – besonders zu solchen, die dem Verkauf seines Werkes förderlich sind. Der Verlag hat inzwischen die Anfragen weiterer Buchhändler gesammelt und ist bemüht, eine Route zusammenzustellen, die sowohl die potenziellen Gastgeber als auch die Wünsche des Autors berücksichtigt. Der will nämlich nicht nach Bayern, weil er da mal schlechte Erfahrungen gemacht hat, nach Flensburg aber auch nicht, das ist zu weit weg. Schließlich einigt man sich. Zwei Abende in Hessen, dann Ruhrgebiet, da liegen die Orte so schön dicht beieinander, und den Abschluss in Hamburg. Dort gibt es sogar drei Interessenten. Außerdem wohnt der Bruder des Autors ganz in der Nähe. Ein Besuch bei ihm geht also auf Spesen.
In gemilderter und ausführlicherer Form teilte ich Frau S. die Präliminarien einer Lesereise mit, bestätigte jedoch, dass ich sehr gern in die ehemalige DDR kommen würde, steckte den Brief in den Kasten und vergaß die ganze Sache.
Nicht so Frau S. Kurz nach Neujahr fand ich unter meiner Post ein Schreiben der »Staatlichen Fachstelle für öffentliche Bibliotheken« in Frankfurt an der Oder. Eine Frau Wagner teilte mir mit, sie habe auf Veranlassung von Frau S. ein rundes Dutzend Büchereien ausfindig gemacht, die an einer Lesung mit mir interessiert seien – und ob ich denn nun auch wirklich kommen würde? PS .: Welche Kosten würden wohl entstehen? Man habe leider nur einen sehr geringen Etat.
Mein erster Gedanke war: Was haste dir da bloß eingebrockt? Das biegst du aber ganz schnell irgendwie ab. Und gleich danach der zweite: Warum eigentlich nicht? Zumindest solltest du mal darüber nachdenken.
Nun habe ich keine Ahnung, inwieweit es in der früheren DDR Autorenlesungen gegeben hat und wie die ausgesehen haben. Wurden die Autoren zwangsverpflichtet, abkommandiert, bekamen sie Honorar, oder liefen derartige Veranstaltungen unter dem Oberbegriff
Freiwilliger Arbeitseinsatz?
Autoren konnte man ja kaum zum Kartoffelbuddeln schicken, aber zum Gemeinwohl haben sie bestimmt auch beitragen müssen, warum also nicht in Form von Lesungen? Wo mögen die überhaupt stattgefunden haben? Gab’s da drüben nicht solche hübschen Betonklötze, die man Kulturhaus nannte und die meistens den Charme eines Wartesaals ausstrahlten?
Mein Ehemann, Meister im Erfinden glaubhafter Ausreden, wenn er irgendwohin muss und keine Lust hat, schüttelte nur den Kopf, als ich ihn um Rat fragte. »Wer A sagt, muss auch B sagen!« Eine dämliche Redensart und völlig unlogisch. Wie viele Wörter gibt es denn, bei denen auf das A ein B folgt? Doch nur solche, die mit Ab … anfangen, also Abstand, Absolution, Absage …
Der Familienrat wurde einberufen. Er
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