Schulden ohne Suehne
aufzugeben. 197 Warum ist die Arbeit der Finanzminister so selten von Erfolg gekrönt? Warum regiert die Politik so gern auf Pump? Und warum können sie das tun? Wenn Politiker mit harschen Worten mit Bankern ins Gericht gehen, müssen sie sich gelegentlich an die eigene Nase fassen. Denn wie die gescholtenen Manager sind sie oft selbst einfach die Gefangenen des Systems und der Anreize, die von diesem System ausgehen.
Ist die Staatsverschuldung ein Webfehler der repräsentativen Demokratie? Das ist eine große Frage für die Wirtschaftswissenschaft. Eine Vielzahl möglicher Gründe wurde bereits erforscht. Dazu gehören politische Schuldenzyklen, die mit wichtigen Wahlen zusammenhängen, Fragen der politischen Couleur der Regierung, die Bedeutung von Regierungskoalitionen, ihrer Größe und der Zahl der dazu gehörenden Parteien. Auch der Typ der demokratischen Verfassung oder die föderale Struktur machen möglicherweiseeinen Unterschied. Eine Schlüsselrolle spielen natürlich die Wähler, die tendenziell jener Partei ihre Stimme geben, von deren Wahl sie sich die größten persönlichen Vorteile erhoffen. Aus dieser Vielzahl von Einzelfragen greifen wir im Folgenden vier wichtige Aspekte heraus.
Die Begehrlichkeiten der Ressortminister
Finanzminister gestalten die Haushaltspolitik nicht allein. Sie sind umgeben von Ressortministern. Die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt wurde nicht an der Solidität des Haushalts gemessen, sondern daran, wie gut die gesundheitliche Versorgung war und wie stabil die Beiträge dafür waren. Der Arbeits- und Sozialminister achtet eher auf die Stabilität des Rentenversicherungsbeitragsund darauf, dass es den Rentnern gut geht. Niedrigere Beitragssätze und höhere Renten lassen sich indes nur durchsetzen, wenn dafür mehr Geld aus dem Bundeshaushalt in die Rentenkasse fließt. Woher der Finanzminister dieses Geld nimmt, ist für den Arbeits- und Sozialminister zweitrangig. Und wenn sich der Bund dafür weiter verschulden muss, ist das auch nicht seine Sorge. Ressortminister nehmen in der Regel gern ein paar Milliarden höhere Verschuldung in Kauf, wenn ein Großteil dieses Geldes in die Kassen ihres Ministeriums fließt.
Zugegeben, eine kluge Öffentlichkeit könnte auch Ressortminister entsprechend danach beurteilen, ob Kosten und Nutzen bei den diversen Ausgaben im Verhältnis stehen. Sollte eine Partei wieder einmal öffentlich die beliebte Forderung nach erstens mehr staatlichen Leistungen, zweitens niedrigeren Steuern und drittens einer Tilgung der Staatsschuld zum Wahlziel erheben, könnten die Bürger erkennen, dass diese drei Forderungen nicht miteinander vereinbar sind. Sie könnten ihre Stimme einfach einer anderen Partei geben.
Wird zum Beispiel mehr Geld für Altersrenten ausgegeben, müssen entweder die Rentenversicherungsbeiträge oder der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt an die Rentenkassen erhöht werden. Im zweiten Fall muss man diese Gelder bei anderen staatlichen Aufgaben einsparen, höhere Steuern eintreiben oder einfach ein paar Milliarden höhere Schulden machen. Ob sich wirklich alle Beteiligten über diese einfachen Zusammenhänge bei allen staatlichen Ausgaben immer im Klaren sind, sei einmal dahingestellt. Schuldenmachen ist unter den verschiedenen Finanzierungsarten vielleicht am einfachsten und hat wohl auch die geringsten Widerstände in der Politik.
Der Wille, lieber selbst zu gestalten
Das Schuldenmachen eröffnet den jeweils Regierenden zusätzliche Handlungsspielräume. Sie haben Geld zur Verfügung, das sie ansonsten gar nicht hätten. Das können sie für die Dinge ausgeben, von denen sie überzeugt sind. Für Programme, die sie für wichtighalten, oder Projekte, die sie für gut befinden. Natürlich müssen die Schulden oder wenigstens die Zinsen in der Zukunft bedient werden. Das schränkt die Handlungsspielräume der zukünftigen Regierenden ein. Künftige Politikergenerationen sind dann vielleicht nur noch mit dem Schuldendienst befasst.
Die gerade Regierenden mögen das bedauern oder nicht. Die Politik heute mag es gelegentlich sogar begrüßen, wenn die Handlungsoptionen in der Zukunft zusammenschnurren. Vielleicht würden die künftig Regierenden Dinge finanzieren, die die heute Regierenden gar nicht so gut finden. Und selbst wenn die Ziele künftiger Politiker sich von denen gegenwärtiger Politiker gar nicht unterscheiden, ist es vielleicht angenehmer, diese Dinge selbst zu gestalten, als dieses Privileg künftigen
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