Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schulden ohne Suehne

Schulden ohne Suehne

Titel: Schulden ohne Suehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai A. Konrad , Holger Zschaepitz
Vom Netzwerk:
hängen dabei von der gerade herrschenden Konjunkturlage ab. Ist die Konjunkturlage gut, rückt eine Verringerung der Nettokreditaufnahme in greifbare Nähe. Sogar ein ausgeglichener Haushalt erscheint in der mittelfristigen Finanzplanung möglich. Die Verschlechterung der Konjunkturlage rückt das Ziel dann in die weitere Ferne. Bei dieser rollierenden Planung steigt die Staatsverschuldung beständig an.
    Wird die Politik immer aufs Neue und völlig unerwartet von schrecklichen Nachrichten über eine konjunkturelle Abkühlung überrascht? Zugegeben, die Kosten der deutschen Wiedervereinigung, das Konjunkturtal der frühen neunziger Jahre, das Aufwachen aus dem Traum der Internet-Ökonomie, der Terroranschlag vom 11.   September 2001 und zuletzt das Beinahe-Zusammenbrechen des Finanzmarktsystems unmittelbar nach der Insolvenz von Lehman Brothers, das sind für sich genommen historisch singuläre Ereignisse. Solche Ereignisse zu prognostizieren, ist wohl kaummöglich. Aber dass es immer wieder schlechte Nachrichten gibt, so viel lässt sich vielleicht doch daraus lernen.
    Man kann auch daran zweifeln, dass es diese singulären Ereignisse waren, die das konjunkturelle Stimmungsbarometer haben fallen lassen. Die Konjunktur zeigte bereits vor dem Terroranschlag des 11.   September 2001 klare Anzeichen einer Abkühlung. Ähnliches gilt für das Zusammenfallen von Finanzkrise und Konjunkturabschwung. Man kann wohl vermuten, dass die Regierung auch ohne die Finanzmarktturbulenzen durch eine ganz normale Abkühlung der Konjunktur am Ziel eines ausgeglichenen Haushalts 2011 mit großer Wahrscheinlichkeit vorbeigeschrammt wäre.
    Es ist nicht leicht zu erkennen, wann ein Aufschwung beginnt und wann er endet. Die Konjunktur- und Wachstumsprognosen gehören nicht zu den Stärken der wirtschaftswissenschaftlichen Disziplin. Wissenschaft und Politik erkennen den Aufschwung oft erst, wenn er fast zu Ende ist. Am 23.   Februar 1999 beispielsweise, als der Konjunkturzyklus in Deutschland wohl gerade einen Gipfel kurz überschritten hatte, sagte der damalige Finanzminister Oskar Lafontaine zum Thema Haushaltskonsolidierung:
    »Der Haushalt 1999 ist ein erster Schritt, aber   – vielleicht ist es ungewöhnlich, wenn ich als derjenige, der ihn, zumindest was die Aufstellung angeht, zu verantworten hat, das sage   – er ist ein bei weitem noch unzureichender Schritt zur Sanierung der Staatsfinanzen. […]
    Wir haben bei weitem noch nicht genug Anstrengungen unternommen, um den Staatshaushalt zu sanieren. Zu rechtfertigen ist das nur, weil ich der Auffassung bin, die von vielen geteilt wird, dass der Staat in einer Phase zurückgehender Konjunktur diesen Prozess nicht noch durch verstärkte Sparmaßnahmen oder Steuererhöhungen verschärfen soll.
    Man kann sich zu dieser Auffassung bekennen oder nicht. Ich halte diese Auffassung für richtig. Wenn Gefahren bestehen, dass das Wachstum zu stark zurückgeht, dann kann der Staat nicht verstärkt Ausgaben kürzen oder Steuern erhöhen. Zu dieser Auffassung kann man ja oder nein sagen, aber man sollte an dieser Stelle eine gewisse Konsequenz entwickeln.« 195
     
    Im Allgemeinen, das kann man sagen, sind die Verantwortlichen für die wachsenden Staatsschulden sicher nicht die Finanzminister oder ihre Finanzbeamten. Finanzministern kann man die Bemühungen um gesunde Staatsfinanzen getrost abnehmen. Als Hans Eichel als Bundesfinanzminister antrat, war sein Programm die Rückführung des Haushaltsdefizits, der ausgeglichene Haushalt und der Verzicht auf neue Schulden, und mittelfristig sogar die teilweise Tilgung der Altschulden. Für dieses Ziel ist er mit seiner ganzen Kraft eingetreten.
    Ähnliches kann man über die meisten Finanzminister sagen. Und die Aufgabe mag den einen oder anderen frustriert haben. Hans Apel, Finanzminister in der Regierung von Helmut Schmidt zwischen 1974 und 1978, soll das Finanzressort für einen »Scheißjob« gehalten haben. Sein Vorvorvorgänger, Alex Möller, soll nach zwei Jahren »Martyrium« in der Regierung Brandt resigniert haben vor Leuten, die sich »wie eine Kompanie benahmen, die mit der Kriegskasse durchgebrannt ist und sie nun vertrinkt«. 196 Und Möllers Nachfolger Karl Schiller sah sich analog der griechischen Mythologie als »Atlas«, der die Ausgabenbürde der sozialliberalen Koalition zu tragen habe. »Gratulieren Sie mir nicht, kondolieren sie mir lieber«, ließ er knapp zu seiner Amtseinführung wissen, nur um ein Jahr später

Weitere Kostenlose Bücher