Schuldig wer vergisst
inzwischen bis zum Halse – vor Überraschung, sagte sie sich. Sie hätte bei jedem so reagiert, der plötzlich im Dunkeln auftauchte und sie derart erschreckte.
»Einen Spaziergang«, sagte Adam Masters, der Mann, den sie eigentlich einmal hatte heiraten wollen. »Bin gerade dabei, eine Predigt fertig zu schreiben. Wollte einen klaren Kopf bekommen, ein bisschen frische Luft schnappen.« Er beugte sich vor und kraulte Bella hinter den Ohren. »Ist das deiner oder hütest du den für jemanden?«
»Mein e «, korrigierte sie ihn automatisch. Bella wedelte freudig mit dem Schwanz – Verräterin. »Sie gehört mir.«
»Ich wusste gar nicht, dass du einen Hund hast.«
Callie verkniff sich eine sarkastische Bemerkung. Es gab inzwischen eine Menge Dinge, die Adam nicht über sie wusste, und sie sah keinen Grund, weshalb sich daran etwas ändern sollte. Es war drei Monate her, seit er sie sitzen gelassen hatte; für sie beide war das Leben weitergegangen. »Sie heißt Bella«, sagte sie.
Er trat von einem Bein aufs andere. »Verdammt kalt heute Abend«, sagte er. »Willst du mich nicht auf einen heißen Tee einladen?«
Das war das Letzte, womit sie gerechnet hatte. Sie ging im Kopf den Zustand ihrer Wohnung durch: Hatte sie den Abwasch gemacht? War das Wohnzimmer aufgeräumt? »Meinetwegen«, sagte sie widerstrebend.
»Ich glaube, ich habe deine Wohnung noch gar nicht gesehen.« Adam sprach in einem freundlich sachlichen Plauderton. Er folgte ihr die Treppe hinauf, und sie war sich mit einem Mal ihrer flauschigen, abgetragenen rosa Pantoffeln bewusst.
»Es ist nichts im Vergleich zu deiner«, sagte sie bei der Erinnerung an die elegante georgianische Erdgeschosswohnung, die Adam bezogen hatte. Sie war nur ein einziges Mal da gewesen, zu einem absolut katastrophalen Essen mit Adam und Pippa, seiner neuen Verlobten. »Aber für uns ist sie genau richtig.«
»Uns?«
»Für Bella und mich«, sagte sie kühl. Sobald sie in der Wohnung waren, nahm sie die Hündin von der Leine und schlüpfte aus ihrem Mantel.
Glücklicherweise sah das Wohnzimmer einigermaßen ordentlich aus, auch wenn die Decke, in die sie sich eingewickelt hatte, auf dem Boden lag. Sie hob sie auf, faltete sie zusammen und legte sie wieder über die Sofalehne. »Was hättest du gerne, Adam? Kaffee? Tee?«
»Du weißt doch, dass ich abends nie Kaffee trinke«, sagte er in neckendem Ton.
Ich weiß nichts von dir, hätte sie am liebsten geantwortet. Habe vielleicht nie etwas von dir gewusst. »Dann also Tee.«
»Tee wäre perfekt. Lapsang, falls du welchen hast.« Sie hatte keinen. Lapsang war immer Adams Lieblingstee gewesen; Callie mochte ihn ebenfalls, doch seit ihrer Trennung hatte sie keinen mehr angerührt. Wenn es nach ihr ginge, würde es auch so bleiben. Dieser eigenwillig rauchige Geschmack würde für sie immer wieder Adam und ihre gemeinsamen
gemütlichen Abende heraufbeschwören. »Kein Lapsang. Englischer Frühstückstee, Earl Grey oder normaler.«
»Dann tut’s der normale.«
Zum Glück folgte er ihr nicht in die Küche. Ohne zu fragen ließ er sich aufs Sofa plumpsen und klopfte mit der flachen Hand auf den Sitz neben ihm. Die treulose Bella sprang hoch und schmiegte sich an ihn, während er sie streichelte.
War es wirklich Zufall gewesen, dass er ihr im Dunkeln über den Weg lief? Während sie den Tee zubereitete, dachte Callie darüber nach. Hätte er für den Fall, dass sie nicht da draußen gewesen wäre, geklingelt? Aber warum? Und wo war die süße Pippa?
Sie konnte ihn ebenso gut danach fragen; schließlich hatte sie nichts zu verlieren. Nicht mehr. »Wo ist denn Pippa?«, fragte sie betont beiläufig, als sie ihm einen Henkelbecher Tee hinstellte. »Kommt sie nicht sonst immer am Wochenende?«
Adam zuckte die Achseln und lächelte. »Dieses Wochenende nicht. Sie ist bei ihrer Mum, um die Hochzeit zu planen. Das Kleid und all diese Dinge.«
Zu ihrem Ärger merkte Callie, wie sich ihr Herz zusammenkrampfte. Sie sank in einen Sessel und zwang sich, Adam anzusehen und den Mund zu einem aufgesetzten Lächeln zu verziehen. »Dann habt ihr schon den Termin festgelegt? Irgendwann im Frühling?« Als sie und Adam verlobt gewesen waren, hatten sie nicht vorgehabt, vor ihrem ersten Jahr als Kuraten zu heiraten, sondern eher erst im nächsten Herbst. Doch sie ging jede Wette ein, dass Pippa ihn früher vor den Altar zerren würde.
Er schüttelte den Kopf und sah sie verständnislos an. »Offen gesagt, Cal, findet sie noch diesen
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