Schuldig wer vergisst
Monat statt. Direkt nach Weihnachten.«
»Weihnachten!«
»Es gibt keinen vernünftigen Grund, länger zu warten.«
»Und was ist mit Pippas Stelle?« Callie wusste, dass sie Grundschullehrerin war.
»Sie hat ihnen gesagt, dass sie zum Ende des Schuljahrs kündigt.« Adam griff nach seiner Tasse Tee. »Ich bin sicher, dass sie in der ersten Zeit in London als Vertretung unterrichten kann. Und irgendwann wird sie bestimmt auch eine volle Stelle finden.«
Callie nahm einen Schluck Tee. Er war kochend heiß.
»Jedenfalls«, sagte Adam, als wäre dies eine ganz normale Unterhaltung, »ist die Hochzeit am achtundzwanzigsten. Am Tag der Unschuldigen Kinder. Du kommst doch, Cal?«
Die letzten Gäste waren gegangen und anschließend auch das Personal; das La Venezia hatte endlich geschlossen, und die Familie war unter sich. Während Serena und ihr Vater im Restaurant die Tische frisch deckten, die Salzstreuer nachfüllten und die Knallbonbons verteilten, half Mark seiner Mutter in der Küche dabei, alles sauber und ordentlich zu hinterlassen. Sie hatte schon immer gesagt, dass man ein Restaurant nur mit diesem Grundsatz führen könne: Man durfte am Abend erst gehen, wenn alles so war, wie man es am nächsten Tag zur Öffnungszeit brauchte. Das war plausibel, zog aber lange, anstrengende Nächte nach sich.
Bevor sie die letzte gekochte Pasta wegwarf, hielt Grazia Lombardi inne und sah ihren Sohn an. »Hast du überhaupt irgendwas gegessen, Marco?«
Mark überlegte. Zuletzt hatte er sich zum Mittagessen eine Brühwurst mit Brötchen und Kartoffelchips gegönnt, und das war einige Stunden her. Seitdem hatte er nur noch einen Keks und eine Tasse Tee zu sich genommen. Heute Abend hatte er sich irgendwann zwischendurch ein paar Brotsticks geschnappt. »Nicht viel«, gab er zu.
»Oh, du musst was essen.«
»Ach, lass nur, Mama.« Er sagte es halbherzig, weil er durchaus merkte, wie sein Magen knurrte. Außerdem wusste Mark sowieso, dass seine Worte auf taube Ohren stoßen würden.
Sie machte sich mit dem Geschick und der Schnelligkeit an die Arbeit, die man brauchte, um die Küche eines beliebten Restaurants zu führen. Eine Bratpfanne, ein bisschen gehackte pancetta , ein Schuss Sahne, ein Ei: Wenig später stand ein Teller spaghetti alla carbonara vor ihm. »Mangia«, befahl sie.
Er gehorchte. Es schmeckte köstlich, er war ausgehungert, und schon nach kurzer Zeit war der Teller leer. »Grazie, mamma«, sagte er kleinlaut.
Während er noch aß, hatte seine Mutter schon die Bratpfanne abgewaschen und alles weggeräumt. Er reinigte Teller und Besteck, und sie machte ihnen in der Zwischenzeit zur Belohnung für anständige Arbeit eine Kanne Kaffee.
Niemand, dachte Mark, kochte einen Kaffee wie seine Mutter, nicht einmal Serena: Er war so dick wie Sirup, stark und aromatisch. Bei zahllosen Gelegenheiten hatte er ihr bei der Zubereitung zugesehen; er hatte sie nach ihren Tricks gefragt und versucht, ihn genauso gut hinzubekommen, aber er schmeckte nie so wie bei ihr. Sie zauberte ihren Kaffee. Mit der Brühe, die aus der Maschine kam und die sie ihren Gästen servierten, hatte das nichts zu tun. Die Gäste wussten es nicht besser; sie hatten ja keine Ahnung, was ihnen entging.
Sie goss ihn in winzige Tassen und reichte Mark eine davon. Er schnupperte daran und schloss genüsslich die Augen, bevor er einen kleinen Schluck davon trank. »Mmm, Mama. Wunderbar.«
Genau in dem Moment schlug sie zu. »Also, Marco«, sagte sie, »wir haben dich in letzter Zeit nicht sehr oft zu Gesicht bekommen.«
Er wusste, dass sie recht hatte: Bevor er Callie kennengelernt hatte, war er viel öfter abends im Restaurant vorbeigekommen – wenn auch nicht, um auszuhelfen, sondern vielmehr, um die Gaumenfreuden zu genießen, die seine Mutter zu bieten hatte. So plötzlich in die Enge getrieben, verfiel er auf seine übliche lahme Ausrede. »Es gab bei der Arbeit so viel zu tun, Mama.«
Grazia Lombardi kaufte ihm das nicht ab. »Marco«, sagte sie. »Sag mir die Wahrheit. Veramente, hai una ragazza? Hast du eine Freundin?«
SECHS
Yolanda Fish war am Samstagabend nicht nach Hause gegangen. Sie wollte in Reichweite sein, falls Rachel sie für irgendetwas brauchte.
Der Hausarzt schaute vorbei und bot Rachel ein Beruhigungsmittel an. Sie lehnte es ab; sie wollte nichts nehmen, was ihrem Baby schaden könnte. Yolanda begrüßte diese Entscheidung, hatte aber selbst ein paar Tricks auf Lager. In ihren Jahren als Hebamme hatte sie ein
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