Schuldig wer vergisst
selbst gemachtes Gebräu entwickelt, das der werdenden Mutter eine Nacht gesunden Schlafs verschaffte, ohne dem Kind im Mindesten zu schaden. Es war im Prinzip nichts anderes als warme Milch mit ein paar Kräutern; nach einer kurzen Fahrt zum Laden um die Ecke hatte sie alle Zutaten beisammen, die sie brauchte, und Rachel hatte den Becher ohne ein Wort des Protests vertrauensvoll geleert.
Im Haus der Nortons gab es kein Gästezimmer; es war, als erwarteten – oder wünschten – sie keine Gäste. Deshalb hatte Yolanda ein paar Sofakissen in das Kinderzimmer neben Rachels Schlafzimmer geschleppt und sich dort ein Behelfsbett zurechtgemacht. Es war erstaunlich bequem, und sie schlief gut.
Doch als lange vor Morgengrauen das Telefon klingelte, war sie augenblicklich wach. Es war ein schnurloses Telefon;
sie hatte es aus Rachels Schlafzimmer mitgenommen und es stattdessen neben sich auf den Boden gelegt, um alles von ihr fernzuhalten, was ihren Schlaf stören könnte.
Yolanda griff nach dem Apparat, drückte den Knopf, um den Anruf entgegenzunehmen, und hielt sich das Telefon ans Ohr. »Hallo?«
»Rachel?« Es war kaum mehr als ein Flüstern, sodass sie das Geschlecht des Anrufers nicht erkennen konnte.
»Nein. Sie schläft. Kann ich ihr was ausrichten?«
Ein hörbares Klicken, dann folgte das Freizeichen.
Yolanda zuckte die Achseln, legte den Apparat wieder auf den Boden und machte es sich erneut auf ihrem improvisierten Bett bequem. Doch an Schlaf war nicht mehr zu denken. Sie knipste das Licht an und sah auf die Uhr: Es war gerade erst sechs Uhr morgens.
Nachdenklich griff sie erneut zum Telefon und wählte die 1471, um zu erfahren, wer der Anrufer war, doch die Nummer war nicht freigegeben.
Wieder einmal wachte Jane früh auf – diesmal jedoch aus reiner Vorfreude und Aufregung. Heute kamen endlich ihre Jungs nach Hause.
Wäre es nicht gerade Sonntag gewesen, hätten sie und Brian sie in Oxford abgeholt. So aber nahmen die beiden einen der Busse, die regelmäßig zwischen Oxford und London verkehrten. Rechtzeitig zum Mittagessen würden sie daheim sein.
Jane war beim Metzger gewesen und hatte ein schönes Stück Rindfleisch gekauft, schon immer das Lieblingsessen ihrer Söhne. Es sollte ein richtig gutes Sonntagsessen geben, mit allem Drum und Dran, ohne Kosten zu scheuen. Rinderbraten und Yorkshirepudding, Bratkartoffeln mit reichlich Gemüse, und zum Schluss einen üppigen Trifle, der bereits im Kühlschrank stand.
Jane hatte keine Ahnung, wie sie den Gottesdienst durchstehen, geschweige denn, ihre Aufmerksamkeit auf höhere Dinge richten sollte. Advent und Vorfreude, das zumindest passte.
Es war nicht weiter verwunderlich, dass Callie nicht gut geschlafen hatte.
Adam! Wie konnte er es nur wagen, einfach so aufzukreuzen, als sei nichts dabei, und dann auch noch die Dreistigkeit besitzen, sie zu seiner Hochzeit einzuladen?
Sie wünschte, sie hätte eine schlagfertige, patzige Antwort parat gehabt. Stattdessen hatte sie einen großen Schluck brühend heißen Tee getrunken, sodass sie kein Wort herausbrachte.
Und als sie endlich den Mund aufbekam, signalisierte sie schüchtern ihr Einverständnis. Feigling! Ja, sie würde versuchen zu kommen. Elender Feigling! Wie konnte sie nur so schwach sein, so wenig Rückgrat zeigen? Weshalb hatte sie ihm nicht einfach gesagt, er solle sich zum Teufel scheren?
Stundenlang, so kam es ihr vor, hatte sie dieselben Fragen gewälzt, bevor sie endlich einschlafen konnte. Doch dann hatten sie – so wie seit Wochen nicht mehr – böse Träume geplagt, in denen Adam sie verfolgte. Der verfluchte Adam, wie konnte er es wagen, sich auch noch in ihre Träume einzuschleichen? Sie wollte nicht von Adam träumen. Sie wollte nichts mehr mit ihm zu schaffen haben. Und ganz gewiss wollte sie nicht zu seiner Hochzeit gehen, zur perfekten Pippa – schlank und blond und schön.
Am allerwenigsten wollte sie über die Wirkung nachdenken, die Adams Nähe auf sie hatte. Gegen ihren Willen hatte sie diesen alten Sog sexueller Anziehungskraft gespürt; irgendwo in ihrem Unterbewusstsein hatte sie sich gewünscht, er würde sie wie früher in die Arme schließen und sie könnten alles hinter sich lassen, was in der Zwischenzeit geschehen
war. Vor allem Pippa. Aber auch Marco. Gott, wie konnte ihr Körper nur so ein Verräter sein?
Und so fasste sie, als sie erwachte und Bellas Wärme an ihrer Seite spürte, den Entschluss, ihn schleunigst aus ihren Gedanken zu verbannen.
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