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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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etwas anderes glauben wollte, obwohl er etwas anderes hoffte.
    Was, wenn Daniel sie nicht als Erster fand?
    Was, wenn doch?



6
    Der Dezember war bereits so weit fortgeschritten, dass auf allen Sendern nur noch Weihnachtslieder liefen. Trixies Versteck war direkt über dem Fahrersitz, in einer kleinen Nische über dem Führerhaus. Sie hatte den Lkw mit offener Ladeklappe vor der Milchfarm gleich hinter dem Schulsportplatz stehen sehen. Es war niemand in der Nähe gewesen, und so war sie einfach oben in die Nische gekrochen und hatte sich zur Tarnung mit Stroh zugedeckt.
    Dann waren zwei Kälber in den Laderaum getrieben worden – nicht unten, wie Trixie gedacht hatte, sondern auf die obere Ladefläche, fast direkt vor den engen Raum, in dem sie sich zusammengerollt hatte. Sobald sie losgefahren waren, hatte Trixie den Kopf aus dem Stroh geschoben und sich eines der Kälber angeschaut. Es hatte Augen so groß wie Planeten, und als sie ihm einen Finger hinhielt, saugte das Kalb fest daran.
    Beim nächsten Halt auf einer anderen Farm keine zehn Minuten später humpelte eine riesige Holsteinkuh die Rampe hinauf. Sie starrte Trixie an und muhte. »Echt ein Jammer«, sagte der Lkw-Fahrer, als der Farmer die Kuh von hinten weiterschob.
    Â»Kann mal wohl sagen. Ist auf ’nem vereisten Weg ausgerutscht«, sagte er. »Jetzt aber rein mit dir.« Dann fiel die Tür zu, und alles wurde dunkel.
    Trixie wusste nicht, wohin die Fahrt ging, und es war ihr eigentlich auch egal. Auf eigene Faust war Trixie noch nie weiter als bis zur Mall of Maine in Portland gefahren. Sie fragte sich, ob ihr Vater schon nach ihr suchte. Sie wünschte, sie könnte ihn anrufen und ihm sagen, dass sie wohlauf war – aber unter den gegebenen Umständen war das unmöglich. Vielleicht für immer .
    Sie schmiegte sich an eines der beiden Kälber. Es roch nach Gras und Getreide und Tageslicht, und sie spürte, wie sie sich mit jedem Atemzug des Tieres hob und senkte. Sie fragte sich, warum die Kälber an einen anderen Ort gebracht wurden. Aber im Grunde wusste sie ja nicht einmal, was sie selbst im Laderaum eines Viehtransporters zu suchen hatte.
    Sie hatte den Detective bei Jasons Beerdigung gesehen, obwohl er sich versteckt hatte. Und dann, als alle dachten, sie würde schlafen, hatte sie auf dem Balkon gestanden und gehört, was er zu ihrem Vater gesagt hatte.
    Da hatte sie gewusst, dass sie wegmusste.
    In gewisser Weise war sie ein bisschen stolz auf sich. Wer hätte gedacht, dass sie es schaffen würde, ohne Auto und mit nur zweihundert Dollar in der Tasche abzuhauen? Aber was so alles in einem steckte, merkte man eben erst, wenn es darauf ankam. Das Leben war eine Abfolge von Wendepunkten, an denen man sich immer wieder selbst überraschte.
    Sie war wohl eine Weile eingeschlafen, gegen einen der runden Kälberbäuche gelehnt. Als der Lastwagen erneut hielt, muhte die Kuh, ein tiefer, hallender Ton. Es folgte ein Geräusch, als würde eine Versiegelung aufgebrochen, dann ertönte ein lautes Quietschen, und die Verladeklappe des Lasters schwang auf.
    Trixie blinzelte in das Licht hinein und sah etwas, was ihr zuvor entgangen war. Die Kuh hatte eine tiefe Wunde am rechten Vorderbein, das immer wieder kraftlos unter ihr wegknickte. Und die beiden Kälbchen waren kleine Bullen, also nutzlos für die Milchproduktion. Sie spähte nach draußen und kniff die Augen zusammen, um lesen zu können, was auf dem Schild am Ende einer Rampe stand: LaRue and Sons, Beef, Berlin, New Hampshire.
    Das da draußen war ein Schlachthof.
    Trixie sprang von der oberen Ladefläche, was nicht nur die Tiere erschreckte, sondern vor allem den Lkw-Fahrer, der gerade den Haltestrick der Kuh losband, und flitzte die lange, mit Kies bestreute Zufahrt hinunter. Trixie rannte, bis ihre Lungen brannten, bis sie einen Ort erreicht hatte, der sich mit einem Burger King und einer Tankstelle alle Mühe gab, als Kleinstadt durchzugehen.
    Plötzlich hörte sie eine Sirene. Trixie blieb wie versteinert stehen, die Augen auf das rotierende Blaulicht des heranbrausenden Streifenwagens gerichtet.
    Der Wagen jagte gellend an ihr vorbei.
    Trixie wischte sich mit der Hand über den Mund, atmete tief durch und ging weiter.

    Â»Sie ist weg«, sagte Daniel Stone panisch.
    Bartholemews Augen verengten sich. »Weg?«
    Er folgte Stone die Treppe hinauf und blieb in der offenen Tür zu Trixies

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