Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
Zimmer stehen. Es sah aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. »Ich weiß nicht, wo sie ist«, sagte Stone mit brüchiger Stimme. »Ich weiß nicht mal, wann sie weggelaufen ist.«
    Bartholemew entschied, dass der Mann nicht log. Zum einen war Stone weniger als eine Minute verschwunden gewesen, also kaum lang genug, um seine Tochter zu warnen, dass sie unter Verdacht stand. Zum anderen schien Daniel Stone über Trixies Verschwinden ebenso verblüfft wie Bartholemew und war kurz davor, panisch zu werden.
    Einen Herzschlag lang erlaubte Bartholemew sich die Frage, warum ein junges Mädchen, das nichts zu verbergen hatte, so mir nichts, dir nichts weglief. Aber im nächsten Atemzug erinnerte er sich daran, was für ein Gefühl es war, wenn man begriff, dass die eigene Tochter nicht da war, wo sie sein sollte. »Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«
    Â»Kurz bevor sie eingeschlafen ist … so gegen halb vier?«
    Der Detective holte einen Notizblock aus der Tasche. »Was hat sie an?«
    Â»Ich weiß nicht. Wahrscheinlich hat sie sich nach der Beerdigung umgezogen.«
    Â»Haben Sie ein Foto aus jüngster Zeit?«
    Bartholemew folgte Stone wieder nach unten, sah, wie er mit dem Finger über die Buchrücken im Wohnzimmerregal fuhr und schließlich ein Jahrbuch der achten Klasse herauszog. Er blätterte die Seiten um, bis er bei S angekommen war. Einige Schnappschüsse fielen heraus. »Wir sind noch nicht dazu gekommen, sie zu rahmen«, stammelte Stone.
    Auf den Fotos wiederholte sich Trixies lächelndes Gesicht wie ein Druck von Andy Warhol. Das Mädchen auf dem Bild hatte langes rotes Haar, das im Nacken zusammengebunden war. Ihr Lächeln war nur ein kleines bisschen zu breit, und ein Vorderzahn war leicht schief. Das Mädchen auf dem Bild war noch nicht vergewaltigt worden. Vielleicht war es sogar noch nie geküsst worden.
    Bartholemew musste Trixies Vater die Bilder fast gewaltsam aus den Händen ziehen. Beiden Männern war schmerzlich bewusst, dass Stone kurz davor war, die Fassung zu verlieren. Die Tränen, die man um ein Kind vergoß, waren anders als alle anderen. Sie brannten, sie ätzten. Sie machten dich blind.
    Daniel Stone starrte ihn an. »Sie hat nichts verbrochen.«
    Â»Ganz ruhig«, erwiderte Bartholemew, wohl wissend, dass das keine Antwort war. »Ich finde sie.«

    In dem letzten Seminar, das Laura vor den Weihnachtsferien hielt, ging es um die Halbwertszeit von Verfehlungen. »Gibt es irgendwelche Sünden, die Dante ausgelassen hat?«, fragte Laura. »Oder heutzutage irgendwelche wirklich üblen Verhaltensweisen, die um 1300 unvorstellbar gewesen wären?«
    Eine Studentin nickte. »Drogenabhängigkeit. Für Cracksüchtige gibt es keine Abteilung in der Hölle.«
    Â»Das ist dasselbe wie Völlerei«, sagte ein anderer. »Sucht ist Sucht. Wonach, spielt keine Rolle.«
    Â»Kannibalismus?«
    Â»Nein, den hat Dante berücksichtigt«, sagte Laura. »Graf Ugolino.«
    Â»Rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr?«
    Â»Filippo treibt sein Pferd waghalsig an. Frühe Form von italienischer Autoraserei.« Laura ließ den Blick durch den stillen Raum gleiten. »Vielleicht sollten wir uns nicht fragen, ob es eine moderne Sünde für das einundzwanzigste Jahrhundert gibt … sondern ob sich die Menschen, die Sünde definieren, im Laufe der Zeit verändert haben.«
    Â»Na klar, die Welt sieht heute total anders aus«, warf ein Student ein.
    Â»Sicher, aber ist sie nicht doch im Grunde gleich geblieben? Geiz, Feigheit, Verkommenheit, Herrschsucht – all das gibt es schon ewig. Heutzutage tötet ein Mörder nicht mehr mit bloßen Händen, sondern besorgt sich eine Kettensäge … Die Technologie eröffnet uns mehr Möglichkeiten, wie wir sündigen können, aber das bedeutet nicht, dass sich die grundlegende Sünde verändert hat.«
    Ein Student schüttelte den Kopf. »Aber eigentlich müsste es doch für Leute wie den Serienkiller Ted Bundy einen ganz neuen Höllenkreis geben.«
    Â»Oder für die Menschen, die sich diese Reality-Shows einfallen lassen«, rief ein anderer, und alle lachten.
    Â»Eigentlich interessant«, sagte Laura, »dass Dante jemanden wie Ted Bundy nicht so tief in die Hölle verbannt hätte wie beispielsweise Macbeth. Warum ist das so?«
    Â»Weil Illoyalität das

Weitere Kostenlose Bücher