Schuldig
weggerannt ist.«
»Das stimmt.«
»Ist sie ihm gefolgt, Mr. Stone?«
Daniel blinzelte. »Was?«
»Ist sie Jason Underhill auf die Brücke gefolgt?«
Er sah wieder die Scheinwerfer des Autos über sie hinweggleiten, erinnerte sich an den Moment, als Jason sich losriss. Er hatte nach Trixie gerufen und gemerkt, dass sie nicht mehr da war. »Selbstverständlich nicht«, sagte er.
»Das ist interessant. Weil wir nämlich verschiedene Beweise haben, die vermuten lassen, dass sie am Tatort war, FuÃspuren und Blut und Haare.«
»Wieso Tatort?«, sagte Daniel. »Jason Underhill hat sich umgebracht.«
Der Detective sah ihn schweigend an. Daniel dachte an die Stunde, die er damit verbracht hatte, nach Trixie zu suchen. Er erinnerte sich an die Schnitte, die er an ihren Armen gesehen hatte, als sie das Geschirr abwusch, Wunden, von denen er geglaubt hatte, sie habe sie sich selbst beigebracht. Jetzt stellte er sich andere Hände vor, die verzweifelt versuchten, sich festzuhalten.
»Ich würde wirklich gern mit Trixie sprechen«, sagte Bartholemew.
»Sie hat Jason nicht getötet.«
»Gut«, entgegnete der Detective. »Dann hat sie bestimmt nichts dagegen, wenn wir eine Blutprobe von ihr nehmen, die wir dann mit den sichergestellten Beweisspuren abgleichen, um sie auszuschlieÃen. Sehen Sie doch bitte mal nach, ob Sie sie wach bekommen.«
Obwohl Daniel durchaus wusste, dass das Leben nicht so funktionierte, glaubte er ehrlich, seine Tochter diesmal retten zu können. Er konnte ihr einen Anwalt besorgen. Er konnte sie auf die Fidschi-Inseln oder die Salomonen bringen, irgendwohin, wo sie nie gefunden werden würden. Er konnte alles tun, er brauchte nur einen Plan.
Und der erste Schritt war der, unter vier Augen mit ihr zu reden. Er zitterte, als er die Treppe hinaufging, hatte schreckliche Angst davor, Trixie diese neue Entwicklung beizubringen, und noch gröÃere Angst vor ihrer Reaktion. Mit jeder Stufe fiel ihm ein neuer Fluchtweg ein: Dachboden, der Balkon vor seinem Schlafzimmer. Zusammengeknotete Bettlaken, um sich an der Hauswand abzuseilen.
Daniel beschloss, sie rundheraus zu fragen, wenn sie noch zu sehr in den Silbermantel des Schlafes eingehüllt war, um ihm etwas vorzumachen. Je nachdem, was sie antwortete, würde er Trixie entweder hinunter zu Bartholemew bringen oder sie selbst bis ans Ende der Welt tragen.
Die Tür zu ihrem Zimmer war geschlossen. Er presste das Ohr ans Holz, hörte aber nur Stille.
Nachdem sie von der Beerdigung gekommen waren, hatte Daniel sich auf Trixies Bett gesetzt und sie in den Armen gehalten, so wie früher, wenn sie Bauchweh hatte und er ihr den Bauch oder den Rücken gerieben hatte, bis sie schlieÃlich sachte einschlief. Jetzt drehte er behutsam den Türknauf, um sie nicht jäh aus dem Schlaf zu reiÃen.
Das Erste, was Daniel auffiel, war die Kälte. Dann sah er das Fenster, das weit offen stand.
Das Zimmer sah aus, als wäre es von einem tropischen Sturm heimgesucht worden. Auf dem Boden verstreut lagen Kleidungsstücke. Das Bettzeug war am FuÃende zusammengeknüllt. Make-up, einzelne Blätter und Illustrierte waren offenbar aus dem Rucksack ausgeschüttet worden, der ebenso verschwunden war wie Trixies Zahnbürste und Haarbürste. Der kleine Tontopf, in dem Trixie ihr Erspartes aufbewahrte, war leer.
Hatte Trixie den Detective unten gehört? War sie schon vorher abgehauen, ehe Bartholemew kam? Sie war noch ein Teenager; wie weit würde sie kommen?
Daniel trat ans Fenster und verfolgte die Zickzackspur von Trixies Flucht durch den Schnee: von ihrem Fenster über das Schrägdach zum ausgestreckten Arm des Ahornbaumes, von dort über den Rasen zum geräumten Bürgersteig, wo sie schlagartig verschwand. Er dachte an die Worte, die sie zu ihm gesagt hatte, als er die Schnitte an ihrem Arm sah. Das ist meine Art wegzulaufen.
Verzweifelt starrte er auf das vereiste Dach. Sie hätte sich umbringen können.
Und gleich anschlieÃend: Das könnte sie immer noch.
Was, wenn Trixie sich irgendwohin flüchtete, wo niemand war, um sie aufzuhalten, wenn sie versuchte, Pillen zu schlucken oder sich die Pulsadern zu öffnen oder in einer Kohlenmonoxidwolke einzuschlafen?
Ein Mensch war nie der, für den man ihn hielt. Das traf auf ihn zu und gewiss auch auf Trixie. Vielleicht hatte sie Jason tatsächlich getötet â obwohl er
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