Schuldig
beschäftigt, die seinen Tod umgeben. Vielleicht empfinden wir einen Bruchteil des Schmerzes, den Jason in jenen letzten dunklen Stunden empfand. So mancher mag daran zurückdenken, als er zuletzt mit Jason sprach. Er mag sich fragen: Hätte ich irgendetwas sagen oder tun können, das ihn gerettet hätte?«
Plötzlich sah Trixie Jason, wie er sie auf Zephyrs hellem Wohnzimmerteppich zu Boden drückte. Wenn sie damals den Mut gehabt hätte hinzuschauen, hätte sie dann die Blutergüsse an seinem Kinn erblühen sehen, das Lächeln, das auf seinem Gesicht verfaulte?
»In deine Hände, oh Herr, übergeben wir deinen Diener Jason Underhill. Wir bitten dich, nimm dein Kind an â¦Â«
Sein Atem fiel auf ihre Lippen, aber er schmeckte nach Würmern. Seine Finger gruben sich fest in ihre Handgelenke, doch als sie hinunterblickte, sah sie nur seine Knochen, von denen das Fleisch abfiel.
»Empfange ihn in deine nie endende Gnade. Schenke ihm immerwährenden Frieden und ewiges Leben in deinem Lichte.«
Trixie versuchte, zu den Worten des Pastors zurückzufinden. Auch sie sehnte sich nach Licht, aber sie konnte nur noch die schwarzen und blauen Streifen der Nächte sehen, in denen Jason sie heimsuchte. Oder sah sie vielleicht die Nächte, in denen sie willig zu ihm gegangen war? Es war jetzt alles so durcheinander. Sie konnte den realen Jason nicht mehr von seinem Geist trennen. Sie konnte nicht mehr unterscheiden, was sie gewollt hatte und was nicht.
Vielleicht war es immer so gewesen.
Der Schrei begann so tief in ihrem Innern, dass sie dachte, er wäre bloà ein Mitschwingen von Tönen, wie eine Stimmgabel, die nicht mehr aufhörte zu zittern. Trixie merkte gar nicht, dass der Klang aus ihr herausbrach, wie eine Springflut, und Jasons Sarg mitriss. Ihr war nicht bewusst, dass sie auf die Knie gefallen war und jedes Augenpaar in der Kirche sie ansah, genau wie vor Beginn des Gottesdienstes. Und sie wagte nicht zu glauben, dass der Erlöser, zu dem der Prediger gebetet hatte, durch das Kirchendach gegriffen und sie nach drauÃen getragen hatte, wo sie wieder atmen konnte â bis sie den Mut fand, die Augen zu öffnen, und begriff, dass sie in den Armen ihres Vaters lag, fort von allem und in Sicherheit.
Trixies Stiefelabdruck passte. Leider waren es Sorel-Stiefel, eine der meistverkauften Marken. Sie hatten keinen verräterischen Riss in der Sohle, keinen Nagel im Gummi, der eindeutig hätte belegen können, dass es nur Trixies Stiefel gewesen sein konnten, die in jener verhängnisvollen Nacht auf der Brücke Spuren hinterlassen hatten.
Als Vergewaltigungsopfer hatte sie ein Motiv. Aber allein der Abdruck eines Stiefels â wie ihn zig andere Leute in der Stadt trugen â würde für einen Haftbefehl gegen Trixie nicht ausreichen.
»Ernie, komm da weg«, rief Bartholemew seiner Hündin zu, die er mit auf einen Spaziergang genommen hatte. Eigentlich hatte er sie nicht mit zum Tatort nehmen wollen, aber er hatte praktisch rund um die Uhr gearbeitet und konnte Ernestine nicht länger allein zu Hause lassen. Er musste sie nur von dem Bereich fernhalten, den die Spurensicherung abgesperrt hatte.
»Nicht zu nah ans Wasser«, rief Bartholemew. Ernie blickte ihn an und rutschte die Böschung hinunter. »Meinetwegen«, sagte er. »Ersauf ruhig.«
Trotzdem lehnte Bartholemew sich über das Brückengeländer und behielt seinen Hund am Flussufer im Auge. Die Stelle, wo Jasons Körper das Eis durchbrochen hatte, war wieder zugefroren, aber noch etwas durchsichtiger als die übrige Fläche. Ein Holzpfahl mit einem orange leuchtenden Fähnchen daran markierte den Nordrand des Tatortes.
Laura Stones Alibi war überprüft worden. Verbindungsnachweise von der Telefongesellschaft bestätigten, dass sie sich zunächst am College und dann zu Hause aufgehalten hatte. Aber mehrere Zeugen hatten Daniel und Trixie Stone auf dem Winterfest bemerkt. Ein Autofahrer hatte sie sogar zusammen mit Jason Underhill auf dem Parkplatz gesehen.
Trixie hätte Jason ermorden können, trotz des GröÃenunterschiedes zwischen ihnen. Jason war betrunken gewesen, und ein Stoà genau im richtigen Moment hätte ihn möglicherweise über das Geländer befördert. Damit wären zwar die Prellungen und Knochenrisse in Jasons Gesicht noch nicht erklärt, aber die schrieb Bartholemew ohnehin nicht Trixie zu.
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