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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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wurde, und in dem Moment streckte sich das Baby nach ihm. Er grinste, fing den Jungen auf, der sich aus den Armen seiner Mutter wand. »Und wer ist das?«
    Â»Mein Sohn«, sagte Elaine. »Er heißt Cane.«

    Elaine lebte zusammen mit ihren beiden anderen Kindern und ihrem Mann bei ihren Eltern, ebenso wie ihre Schwester Aurora, die siebzehn Jahre alt und hochschwanger war. Es gab auch noch einen Bruder Ende zwanzig. Laura konnte ihn in dem einzigen Schlafzimmer des Hauses sehen, wo er fieberhaft Nintendo spielte.
    Auf dem Küchentisch lag ein gefrorener Fleischklumpen in einer Schüssel – Laura schätzte, dass er mal zu dem Elch in dem arktischen Vorraum gehört hatte. Es gab einen Ofen, aber keine Spüle. Stattdessen stand in einer Ecke ein voller Zweihundertliter-Wassertank. Verstaubte Köder zum Eisfischen und uralte handgeschnitzte Kajakpaddel hingen von der Decke. Neben der durchgesessenen Couch standen große Kübel mit Schmalz und getrocknetem Fisch. Die Wände waren mit frommen Andenken bedeckt: Gottesdienstprogramme, Bildchen mit Jesus und Maria, Heiligenkalender. Überall wo noch ein Fleckchen frei gewesen war, hatte man Fotos hingeklebt: neue Aufnahmen von dem Baby, alte Schulbilder von Elaine und Aurora und ihrem Bruder, dem Jungen, dessen Ermordung Daniel bezichtigt worden war.
    Es war schon eine seltsame Ironie des Schicksals, dass sie ausgerechnet hier zurückbleiben sollte. Sie rief sich immer wieder in Erinnerung, was Daniel über die alaskische Wildnis gesagt hatte: Es war ein Ort, wo Menschen leicht verschwinden konnten. Was ließ das für Trixie befürchten? Oder für Daniel? Und was bedeutete es für Laura selbst?
    An diesem Ort war ihr alles fremd. Sie wusste nicht, warum ihr niemand in die Augen sah, warum der junge Mann, der da nebenan Videospiele spielte, nicht herausgekommen war, um sich vorzustellen, warum sie überhaupt solche modernen Geräte für Videospiele besaßen , wenn das Haus selbst kaum mehr als eine Hütte war, warum diese Eltern jemanden in ihr Haus einluden, den sie einmal für den Mörder ihres Sohnes gehalten hatten. Laura fühlte sich wie eine Blinde, die eine andere Welt ertastete.
    Daniel unterhielt sich leise mit Charles und erzählte ihm von Trixie. »Entschuldigung«, sagte Laura und beugte sich zu Minnie hinüber. »Ich müsste mal zur Toilette.«
    Minnie zeigte den Flur hinunter. Am Ende war ein alter, großer Kühlschrankkarton wie eine Art Sichtschutz aufgestellt. »Laura«, sagte Daniel und stand auf.
    Â»Ist schon gut!«, sagte sie, weil sie dachte, wenn sie Daniel davon überzeugen konnte, dann vielleicht ja auch sich selbst. Sie trat hinter den Pappkartonsichtschutz und blieb fassungslos stehen. Es gab kein Badezimmer, nicht mal ein Klosett. Lediglich einen weißen Eimer, und darauf lag locker ein Toilettensitz.
    Laura zog ihre Skihose herunter und hockte sich hin, hoffte mit angehaltenem Atem, dass niemand auf sie achtete. Dann ordnete sie ihre Kleidung – Händewaschen war gar nicht möglich – und trat hinter dem Sichtschutz hervor. Daniel wartete in dem schmalen Flur auf sie. »Ich hätte dich vorwarnen sollen.«
    Â»Es ging schon«, sagte sie.
    Â»Ich muss los«, sagte Daniel.
    Laura nickte. Sie wollte ihn anlächeln, schaffte es aber nicht. Es konnte so vieles passieren, bis sie ihn das nächste Mal sah. Sie schlang die Arme um ihn und drückte das Gesicht an seine Brust.
    Er führte sie in die Küche, wo er Charles die Hand schüttelte und auf Yupik sagte: » Quyana. Piurra. «
    Als Daniel hinaus in den Vorraum trat, folgte Laura ihm. Sie blieb in der Haustür stehen und sah, wie er das Snowmobil startete und aufstieg. Er hob eine Hand zum Abschied und sprach die Worte, von denen er wusste, dass sie sie bei dem Motorenlärm nicht hören konnte. Ich liebe dich.
    Â»Ich liebe dich auch«, murmelte Laura, doch da war Daniel bereits verschwunden, und zurück blieben nur eine Abgaswolke, Kufenspuren im Schnee und eine Wahrheit, die zwischen ihnen beiden lange Zeit unausgesprochen geblieben war.

    Bartholemew starrte auf das Blatt mit den Ergebnissen, das Skipper Johanssen ihm gegeben hatte. »Wie sicher sind Sie?«, fragte er.
    Skipper zuckte die Achseln. »So sicher wie diese spezielle Form der Typisierung sein kann. Ein Hundertstel Prozent der Weltbevölkerung hat dieselbe mtDNA wie Ihre Verdächtige.

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