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Schuldig

Schuldig

Titel: Schuldig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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einfach wieder das Mädchen werden, das sie gewesen war, ehe sie ihm begegnete. Dieses Mädchen gab es nicht mehr.
    Jason schwankte, das merkte sie ihm an. Als er sie in seine Arme zog, schob sie den Kopf an seinen Hals und öffnete die Lippen für das Salz auf seiner Haut. Danke , sagte sie leise, zu Gott oder Jason oder vielleicht auch zu beiden.
    Seine Worte bewegten die Haare neben ihrem Ohr. »Trixie, du musst damit aufhören. Es ist vorbei.«
    Der Satz – oder das Urteil – sauste zwischen ihnen nieder wie das Beil einer Guillotine. Trixie löste sich von ihm, wischte sich die Augen mit dem wattierten Ärmel ihrer Jacke. »Aber es geht doch hier um uns «, flüsterte sie, »wie kannst du das dann allein entscheiden?«
    Als er nicht antwortete, wandte sie sich ab und starrte aus dem Fenster. Sie sah, dass sie noch immer auf dem Parkplatz waren. Sie waren kein bisschen weitergekommen.

    Auf dem gesamten Nachhauseweg überlegte Laura, wie sie es Seth beibringen sollte. So schmeichelhaft es auch war, dass ein junger Mann von Anfang zwanzig sie mit ihren achtunddreißig Jahren attraktiv fand – es war auch falsch. Laura war seine Professorin. Sie war verheiratet. Sie war Mutter. Sie gehörte in eine Wirklichkeit, die aus Fakultätskonferenzen und Fachaufsätzen und Kolloquien im Hause des Dekans bestand, ganz zu schweigen von Elternsprechtagen in Trixies Schule und der beunruhigenden Erkenntnis, dass ihr Stoffwechsel sich allmählich verlangsamte. Es war unwichtig, so redete sie sich ein, dass sie sich bei Seth fühlte wie eine reife Sommerfrucht, die bald vom Baum fällt, ein Gefühl, das sie bei Daniel schon seit zehn Jahren nicht mehr gehabt hatte.
    Etwas Falsches zu tun löste einen betörenden Adrenalinrausch aus, wie sie festgestellt hatte. Seth war dunkel und unausgeglichen und unberechenbar und – oh Gott, schon allein bei dem Gedanken an ihn fuhr sie viel zu schnell auf dieser Straße. Andererseits war Lauras Ehemann der solideste, verlässlichste, freundlichste Mensch in ganz Maine. Daniel vergaß nie, die Biotonne rauszustellen. Er bereitete abends schon die Kaffeemaschine für den nächsten Morgen vor, weil Laura ohne Kaffee einfach nicht gut in den Tag kam. Er hatte sich noch kein einziges Mal darüber beschwert, dass er gut zehn Jahre länger gebraucht hatte, um sich als Comiczeichner einen Namen zu machen, weil er zu Hause geblieben war und sich um Trixie gekümmert hatte. So absurd das auch klang, je perfekter er war, desto wütender wurde sie manchmal, als ob seine Großzügigkeit nur dazu diente, ihren Egoismus zu entlarven. Aber das war ganz allein ihre Schuld – schließlich hatte sie ihm damals ein Ultimatum gestellt und verlangt, dass er sich änderte.
    Leider hatte sie (wenn sie ehrlich war), als sie ihn bat, sich zu ändern, nur an die Dinge gedacht, die sie zu brauchen glaubte. Was sie alles verlieren würde, war ihr nicht in den Sinn gekommen. Was sie an Seth am meisten geliebt hatte – den Nervenkitzel, etwas Verbotenes zu tun, das Wissen, dass Frauen wie sie nichts mit Männern wie ihm anfingen –, war genau das Gleiche gewesen, was sie damals in Daniels Arme getrieben hatte.
    Sie hatte mit dem Gedanken gespielt, Daniel von ihrer Affäre zu erzählen, aber das hätte ihn nur verletzt und nichts Gutes bewirkt. Stattdessen würde sie alles wiedergutmachen. Sie würde ihn mit Nettigkeiten überschütten. Sie würde die beste Ehefrau, die beste Mutter, die aufmerksamste Geliebte werden. Sie würde ihm etwas zurückgeben, von dem er hoffentlich noch gar nicht gemerkt hatte, dass es fehlte.
    Selbst bei Dante konnte man, wenn man die Hölle durchschritten hatte, hinauf ins Paradies finden.
    Im Rückspiegel sah Laura ein Feuerwerk aus roten und blauen Lichtern aufblitzen. »Verdammter Mist«, knurrte sie und fuhr rechts ran.
    Ein groß gewachsener Officer stieg aus dem Streifenwagen und kam auf sie zu. »Guten Abend, Ma’am, haben Sie gemerkt, dass Sie mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sind? Zeigen Sie mir bitte Ihren Führerschein und … Sind Sie das, Professor Stone?«
    Laura spähte in das Gesicht des Polizisten. Er war noch recht jung, und er kam ihr bekannt vor. Möglicherweise ein ehemaliger Student. Hatte sie ihn gut genug benotet, um jetzt an einem Strafzettel vorbeizukommen? Sie sah ihn so zerknirscht an, wie sie

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