Schule der Armen
der Liebe gleicht. Die Frau, die aus Eigennutz den Abend mit dem Armen verbringt und alles in allem nur Pengö verkonsumiert, bedauert eigentlich den Armen und erlaubt ihm aus Pflichtbewußtsein wohlwollend und rücksichtsvoll, das Geld auszugeben. Gleich dem Virtuosen, der zur eigenen Unterhaltung mit einem Finger auf dem Klavier klimpert oder mit einer Hand eine abgedroschene Etüde übt, so gibt die Frau eher zum Zeitvertreib und aus Langeweile einer Kaprice nach, indem sie das aus Eigennutz verzehrte Abendessen auf einem so billigen Niveau läßt.
Die Fähigkeit der Frau zu konsumieren ist nämlich grenzenlos. Meistens konsumiert sie ganz unbewußt, ohne jeden materiellen Hintergedanken. Die Frau sieht es gern, wenn der Arme ihr Blumen, Bilder und Bücher kauft, also lauter Dinge, die im Auge einer Frau keinerlei Wert und auch keinerlei praktische Bedeutung besitzen. Sie kann sich aber auch darüber freuen, wenn der Arme Chauffeuren, Kellnern, ja sogar wildfremden Menschen, die berufsmäßig andere anpumpen, sowie Schmarotzern Geld gibt – sie freut sich nicht sosehr aus Gutherzigkeit, sondern eher aus dem Gedanken heraus, daß es richtig ist, wenn sich ein Mann in der Gesellschaft einer Frau ununterbrochen in Unkosten stürzt.
Meiner Beobachtung nach hellt sich selbst in relativ tragischen Situationen ihre Stimmung auf, sobald der Mann ihr ein Geschenk überreicht. Die Literatur jeder Epoche kennt und bezeugt dieses Phänomen. (Casanova gesteht in seinen Memoiren, daß es ihm in seiner abwechslungsreichen »Eroberer«-Karriere nicht ein einziges Mal gelungen ist, die Gunst einer Schönen ohne Geschenke zu gewinnen. Einer kleinen Turiner Jüdin zum Beispiel mußte er Pferde und Juwelen kaufen, bevor es ihm gelang, sie zu gewinnen; die gleiche Erfahrung machte er jedoch auch bei französischen, holländischen, deutschen und Schweizer Frauen.)
In der Annahme der Richtigkeit von Woytinskis Berechnungen über das Weltvermögen fällt uns sofort in die Augen, daß dem einzelnen Armen, dem vom Weltvermögen ja nur fünfzig Heller zukommen, wenig Möglichkeit gelassen wird, sich Frauen zu nähern. Die allgemeinen Erwerbsverhältnisse gestatten dem Armen kaum den Luxus, Frauen zu huldigen. Hieraus ergibt sich, daß der Arme nur wenig von Frauen wissen kann, da er sie nicht kennt. Die einzige Entschädigung, die er ihnen an Stelle von Geld zu bieten vermag, ist sein Name und seine Hand, die die Frauen meist auch annehmen.
Der Arme lernt die Frau nur im Rahmen der Ehe kennen und ist im Besitz dieser Kenntnisse geneigt, daraus allgemeine Schlüsse abzuleiten; diese Schlüsse sind meistens falsch und bedauerlich unklar. Der Arme kennt die Frauen nur vom Hörensagen, ebenso wie zum Beispiel Australien. Meistens stellt er sich die Frauen als einen exotischen Volksstamm vor, mit merkwürdigen Sitten, mit Federputz und bunt bemalt, mit eigenen Gesetzen, ja sogar mit eigenem Sprachschatz; in Frauengesellschaft überkommt ihn ein sonderbares, beengendes Gefühl, als hätten die von den Frauen gebrauchten Ausdrücke eine vom Alltäglichen abweichende Bedeutung. Wenn der Arme das Wort »Stern« ausspricht, so ist die Antwort, die er von der Frau erhält, so überraschend verständig, daß er meistens gleich verstummt. Die Armen kennen die Frauen kaum. Der Beweis ist die allgemein feststellbare Tatsache, daß sie infolge ihrer lückenhaften Kenntnis schnell und gern heiraten.
Wenn der Arme durch einen an Wunder grenzenden Zufall, etwa durch eine Erbschaft, vorübergehend in die Lage versetzt wird, mehrere Frauen aus nächster Nähe kennenzulernen, so fühlt er sich wie ein Forscher, der mit seiner Expedition endlich vordringt in ein geheimnisvolles Erdgebiet, über das er schon viel gelesen hat und wo er urplötzlich ganz andere, seinen Buchkenntnissen widersprechende Verhältnisse antrifft. Bei den Frauen überraschen ihn vor allem ihre Klugheit, Güte, ihr Geschmack und ihre Vornehmheit – die Grundlagen ihres Charakters.
Die Frauen sind viel besser, als verheiratete Arme es sich im allgemeinen vorstellen. Ihr Verständnis jedem menschlichen Elend gegenüber ist aufrichtig und kommt von Herzen; für minimale Beträge, die den Wert der dafür gebotenen Gegenleistungen gar nicht aufwiegen, sind sie zu sämtlichen Variationen des Trostes, der Hingabe, der wohltätigen Opferbereitschaft und der Anhänglichkeit fähig. Das Märchen von der »treulosen« Frau haben die Ehefrauen armer Männer als abschreckendes Beispiel erfunden;
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