Schule der Armen
allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Annäherung des Betreffenden und machen sogar ihre Freundinnen auf die Gefahr aufmerksam, die die Nähe dieses Mannes mit sich bringt.
Führen wir einige einfache Beispiele an, die unsere These unwiderlegbar rechtfertigen:
Nehmen wir zunächst diesen angeblich glücklichen, allgemein bekannten Fall, wenn eine verliebte Frau noch nicht sicher weiß, daß der Mann kein Geld besitzt, und meint, er habe nur vorübergehend keins, oder er habe noch keins, weil er zu jung ist, oder man habe ihn hintergangen usw. In diesem angenehmen Irrtum befangen, betört von ihren Sinnen, läßt sich die verliebte Frau vom Mann überreden und nimmt, ohne zu wissen, daß er zu den unrettbaren Armen gehört, die Einladung zu einem Abendessen zu zweit wie ein großes Opfer an. Wir wiederholen mit Nachdruck: Die Rede ist von einem idealen Fall, wo die Frau in ihrer jungen Liebe noch nicht weiß, daß der Mann arm ist, aber auch nicht will, daß er gleich bei der ersten Gelegenheit einen Betrag für sie ausgibt, der seine Verhältnisse übersteigt.
Das verliebte Paar beschließt also, zu zweit in einem »kleinen Lokal« zu speisen. Zu diesem Zweck treffen sie sich entsprechend gekleidet zur vereinbarten Zeit. Als Beweis für die Richtigkeit unserer These wollen wir zwei Tabellen aufstellen, die die Möglichkeiten des Zusammenseins eines Armen mit einer Frau beleuchten sollen, und zwar A. den glücklichen Fall, wenn die Frau den Mann wirklich liebt, und B. den normalen Fall, wenn die Frau aus materiellen Gründen mit dem Armen speist. Die Analyse dieser beiden Variationen ergibt folgende Resultate:
A.
B.
(Aus Liebe)
(Aus materiel-
len Gründen)
Der Arme und die Frau fahren im Autobus ins Lokal …
–,64
Der Arme und die Frau fahren im Taxi ins Lokal …
2,–
Die Frau begnügt sich mit einem Essen »zusammen«, keine Vorspeise, ein Fleischgericht, Dessert, ein Liter Sylvaner …
4,–
Die Frau und der Arme essen »zusammen« eine Vorspeise, aber zwei Fleischspeisen, Käse, Obst, Gebäck …
12,–
Eine bescheidene Blume für die Frau von einer nächtlichen Blumenverkäuferin …
1,–
Getränke (halbe Flasche Bordeaux, zwei Cointreau, Bier, Mineralwasser) …
7,–
Musik, viermal à 20 Heller, beim Verlassen des Lokals 50 Heller …
1,30
Spielzeug-
verkäufer …
3,–
Zum nächsten Café, da einzelne Fragen noch ungeklärt sind, zu Fuß. Dort zwei Mokka, zwei Aprikosengeist, Trinkgeld und Musik …
4,–
Mokka, Musik …
4,–
Unter Alkoholeinfluß und weil kein Autobus mehr verkehrt, im Taxi nach Hause …
2,–
Die Frau überredet den Mann zu Spenden an ambulante Graphologen und Zigarren-
spitzenverkäufer …
3,–
Sperrgeld, da der Arme mit einer Frau nach Hause kommt und sich geniert …
–,60
Blumen …
3,–
Nach dem Essen im Taxi in eine kleine Bar …
2,–
Im Taxi nach Hause …
2,–
Sperrgeld, da die Frau den Armen auch dem Hausmeister gegenüber zur Wohltätigkeit anregt …
1,–
Zusammen: Pengö
13,54
Zusammen: Pengö
39,–
Jeder Sachverständige, der sowohl die Frauenwelt wie auch die Welt der Armen einem gründlichen Studium unterworfen hat, wird der Gewissenhaftigkeit und Objektivität unserer Berechnungen beipflichten, gleichzeitig aber auch mit uns übereinstimmen, daß die Frauen gern konsumieren. Dies hat bereits dreihundert Jahre vor Christus der geistreiche griechische Lustspielautor festgestellt, der seiner Meinung über das Konsumierungstalent der Frauen kurz in folgendem Satz zusammengefaßt hat: »Dapanera physei gyne« (»Die Frau ist der Natur nach verschwenderisch« – Schopenhauers Mitteilung [Parerga und Paralipomena. Kap. XX]).
Zu dieser Tabelle, die die grundlegenden und nicht zu umgehenden ersten Ausgaben bei Anbahnung eines Verhältnisses zwischen einem Armen und einer Frau enthält, können wir sagen, daß sie versucht, auf Grund objektiver Daten die Betriebskosten einer Liebesbeziehung zu erwägen und noch dazu bei zwei ausnahmsweise günstig gelegenen Fällen, deren Zusammentreffen zu den seltensten Zufällen des Lebens gehört. Selbst so sehen wir, daß der Arme sich nur mit den größten Schwierigkeiten einer Frau zu nähern vermag, da das Unternehmen auch im günstigsten Fall die Grenzen seines Betriebskapitals überschreitet. Selbst im Fall der uneigennützigen Liebe, wo die Frau beim Abendessen keine
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