Schule der Armen
Nebenzimmer getrennt, wo sich im erhabenen Augenblick fremde Menschen aufhalten und diese ewige Auseinandersetzung belauschen. Der Arme, dem die Gnade Eros’ die Fähigkeit zur Liebe verliehen hat, vermag diese beglückende Gabe nur selten ungestört zu genießen.
Psychiater, die ihre an erotischen Komplikationen des Seelenlebens leidenden Patienten mit sonderbaren und den Kern der Dinge weit umgehenden Fragen quälen, würden sich empört dagegen verwahren, wollte jemand ihnen sagen, daß man die meisten erotischen Komplexe unserer Zeit mit sechzig bis achtzig Pengö monatlich restlos austreiben könnte, denn soviel kostet bekanntlich die Miete eines möblierten Zimmers mit Separateingang. Unabhängig von ihrem Protest bestehen wir auf unserer Ansicht, die durch praktische Erfahrungen belegt ist, daß das Liebesproblem unserer Zeit mehr denn je mit der Lösung der Wohnungsfrage zusammenhängt.
In einem der vorangehenden Kapitel erwähnten wir bereits, daß Frauen keine richtigen Armen sind; aber selbst wenn sie zum Armenstand gehören, fühlen sie sich viel lebensnäher und erfreuen sich ihres Lebens mit mehr Eleganz und intensiverem Genuß als der Vorstand eines Waisenamts auf dem Gipfel seiner Karriere oder selbst im siegreichsten Augenblick seines Lebens. Sie sind wie gewisse Alpenpflanzen, die selbst auf kahlen Felsenwänden Wurzeln schlagen und unter trostlosen Lebensbedingungen gedeihen und Blüten treiben. Versetzen wir eine sogenannte arme Frau in das Leben eines armen Mannes, und mit Überraschung werden wir bemerken, wie die Frau sichtlich aufblüht und sich im Verhältnis, wie der Mann verkümmert, desto üppiger entfaltet.
Frauen wissen viel mehr vom Leben als die Männer und verachten instinktiv die Armut. Es ist sehr interessant, bei Persönlichkeiten der Geschichte zu beobachten, mit welch zäher Hartnäckigkeit Frauen ihre Männer, in die sie sich trotz deren Armut verliebt haben, aus der Armut heraushoben. Hinter wirklich großen Karrieren steht immer eine Frau, die den Gedanken nicht ertragen konnte, daß der Erwählte ihres Herzens zu der Kategorie der Armen gehört; sie sieht dabei nicht so sehr die Herabsetzung des Mannes, sondern ihre eigene, und sie will nicht so sehr aus ihrem Mann einen General machen, als vielmehr sich selbst im Widerschein dieser aus Liebe errungenen Laufbahn sonnen. Frauen verschwenden so viel Ehrgeiz auf die Karriere ihrer Männer, daß man mit der gleichen Kraft Brücken bauen oder Turbinen mit Triebkraft speisen könnte; doch beschäftigen sich Frauen mit derlei Bagatellen nicht.
Es versteht sich von selbst, daß nur die Reichen die Frauen wirklich kennen. Der reiche Mann und die Frau sind so füreinander geschaffen und ergänzen sich in solch vollkommener Harmonie, daß in ihren gegenseitigen Beziehungen ein Mißverständnis gar nicht aufkommen kann. Der reiche Mann weiß, daß eine Frau, die er entschädigt – meist für Schäden, die er nicht verursacht hat –, sich ihm gegenüber, den sie nicht liebt, viel hingebungsvoller und aufrichtiger verhält als einem armen Mann gegenüber, den sie liebt, der jedoch nicht in der Lage ist, sie zu entschädigen.
Die wirkliche Leidenschaft einer Frau kennt nur der Reiche. Für den Armen hegen die Frauen im allgemeinen nur mütterliche Gefühle wie Zärtlichkeit, Nachsicht und Güte; mit ihrer Leidenschaft beschenken sie den Reichen, oder besser gesagt, sie opfern auf dem Altar der heidnischen, machtvollen Gottheit, die die Welt regiert und die sie hinter der Erscheinung des Reichtums vermuten. Aus Rücksicht auf die allgemein bekannten Charakterzüge der Reichen, Knausrigkeit und Vorsicht, sind die Frauen gezwungen, ihre Feldzüge ununterbrochen offensiv zu führen, und dies mit gutem Grund, da sie im Kampf um ihre Existenz im wahrsten Sinne des Wortes ihre Haut zu Markte tragen. Die Frauen gebären, erziehen und pflegen die Armen, und darum verehren wir die Frauen. Sie hingegen schenken den Reichen die Lust, und darum sehnen wir Armen uns nach den Frauen mit unstillbarem Neid.
In der Welt der Armen ist die Liebe durchglüht von der quälenden Vorahnung der Hoffnungslosigkeit aller Bemühungen um den Besitz der Frau. Darum ereignen sich bei den Armen so häufig Liebestragödien. Der Arme weiß sehr wohl, daß er, solange es Reiche in der Welt gibt, die Frau nie restlos besitzen wird, denn es fehlen ihm im Kampf um das Weib sozusagen die ebenbürtigen Waffen.
Das Wunder des Weiterbestehens der menschlichen Rasse im
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