Schule der Lüfte wolkenreiter1
Lauf!«
Der junge Hengst machte einen mächtigen Satz nach vorn.
Beinahe hätte Wilhelm es nicht mehr geschafft, ihm auszuweichen. Lark spürte die Quaste seiner Gerte auf ihrem Oberschenkel, als sie auf Tup an dem Fürsten vorbei aus den Stallungen auf die Weide galoppierte.
Im bläulichen Dämmerlicht des kühlen, frühen Abends erhob sich Philippa mit Soni in den Himmel. Hester folgte auf Goldener Morgen. Philippa war froh darüber, dass Hester sie begleitete. Das Mädchen war zwar erst Schülerin der ersten Klasse, aber sie war verständig und bedacht, was Philippa
mit Zuversicht erfüllte. Sie hatten einen seltsamen Auftrag zu erfüllen, und sie hatte nicht die geringste Ahnung, wohin ihr Weg sie führen würde.
Nach einiger Diskussion waren sie zu dem Schluss gekommen, dass Wilhelm und Irina mit Schwarzer Seraph nicht weit gekommen sein konnten, weil sie ihn zu Fuß am Zügel führen mussten. Denn Irinas Pferd war kein gutes Leittier. Sie war schwierig im Umgang mit jungen Pferden, und Philippa glaubte, dass selbst Irina kein geflügeltes Fohlen einem solchen Risiko aussetzen würde. Sie wussten bereits, dass Tup nicht in den Stallungen des Palastes aufgetaucht war. Wo also konnte Wilhelm ein geflügeltes Pferd verstecken, das er gestohlen hatte? Philippa erinnerte sich an die neuen Ställe in Fleckham, die durch das Buchenwäldchen vom Rest des Anwesens getrennt waren. Das war der einzige Ort, der ihr einfallen wollte. Sollte Schwarzer Seraph nicht dort sein … Bei Kallas Fersen, dachte Philippa, wenn das Fohlen nicht in Fleckham ist und Larkyn ihm an einen unbekannten Ort gefolgt sein sollte … dann würden sie vielleicht niemals erfahren, was den beiden zugestoßen war.
Während sie Kurs Richtung Westen nahm, versuchte sie sich einzureden, dass selbst Wilhelm einem geflügelten Pferd oder einer jungen Reiterin nichts antun würde, doch das Ziehen in ihrem Bauch und der stechende Schmerz in ihrem Nacken ließen nicht nach. Es würde ein kurzer, aber anstrengender Flug bis nach Fleckham werden.
Schließlich erreichten sie die Nordseite des Anwesens und landeten in der Abenddämmerung. Philippa machte sich ein bisschen Sorgen um Hester, die vermutlich im Dunkeln zurückfliegen musste, doch bald würde der Mond aufgehen, und wenn der Himmel klar blieb, würde es hell genug sein.
Die Pferde trabten nach der Landung aus, und Philippa spähte zu dem großen Haus hinüber, dessen kahle Fenster im rötlichen Licht der Dämmerung schimmerten.
»Es wirkt ziemlich verlassen«, stellte Hester fest.
»Allerdings, und das ist auch gut so«, erwiderte Philippa erbittert. »Ich denke, dass Schwarzer Seraph dort hinter dem Buchenwäldchen ist. Das heißt, ich hoffe es. Kommen Sie, und seien Sie leise.«
Die Pferde falteten ihre Flügel, und sie ritten eine Böschung hinunter. Bis auf das kurze Zwitschern eines Nachtvogels und das leise Rascheln der Blätter im Wind herrschte tiefe Stille um sie herum. Sie hörten nichts, bis sie den Rand des Wäldchens erreichten.
Als urplötzlich der Lärm losbrach, zuckte Philippa zusammen, als hätte jemand sie geschlagen. Sie hörte das durchdringende Wiehern eines Pferdes und das Hämmern von Hufen gegen Holz. Dann ertönte Geschrei und ein lautes Krachen. Philippa trieb Soni in den Galopp.
Soni fegte in hohem Tempo zwischen den Bäumen hindurch. Zweige verfingen sich in Philippas Haaren und in ihrem Mantel und rissen ihr die Kappe vom Kopf. Am Ende des Wäldchens gelangten sie zu einem Grünstreifen oberhalb der Stallungen. Ein Apfelschimmel rannte unruhig auf einer Koppel hin und her, und Wilhelms brauner Wallach war vor dem Stall angebunden. Schreie hallten durch die Dämmerung, und dann hörte Philippa Larkyns Stimme, die deutlich und entschlossen schrie: »Los, Tup! Lauf!«
Philippa trieb Soni genau in dem Moment vorwärts, als das Mädchen auf dem Pferd aus den Stallungen preschte und auf die dahinterliegende Weide zugaloppierte. Ein Oc-Hund raste mit eingezogenem Schwanz und flatternden Ohren hinter ihr her. Der Mond war gerade erst über den
Hügeln im Osten aufgegangen. Das Tal und der Wald unter ihm lagen beinahe vollständig im Dunkeln.
Tup und Larkyn hatten kaum ein Dutzend Schritte getan, als Wilhelm aus den Stallungen rannte. Er riss die Zügel seines Wallachs los und sprang in den Sattel. Er hatte die Ecke des Stalls noch nicht erreicht, als er bereits mit der Gerte auf das Pferd eindrosch. Sein Weg führte direkt an Philippa vorbei.
»Wilhelm!«,
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