Schule der Lüfte wolkenreiter1
fliegt.«
»Es gibt doch sicher noch andere Pferde. Warum will der Fürst ausgerechnet dieses?«
»Meister Hammloh.« Philippa hatte Mühe, den Kopf hochzuhalten. Sie rieb sich die pochenden Schläfen und suchte nach einem Weg, Wilhelm zu beschreiben. »Ich kenne den Fürsten schon mein ganzes Leben lang. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat … kann ihn nichts aufhalten. Er kann sehr grausam sein, selbst zu denen, die ihm nahestehen. Seinen Vater kannte ich noch besser als ihn. Und selbst Fürst Friedrich hat sich wegen des Charakters seines Sohnes Sorgen gemacht.«
»Mit gutem Grund, wie es aussieht.«
»Ja.« Philippa ging einen Schritt auf ihn zu, stolperte jedoch und wäre fast hingefallen. Broh Hammloh war mit einem Satz bei ihr. Er packte sie am Ellbogen und stützte mit der anderen Hand ihren Rücken. Er strahlte so viel Kraft und Wärme aus, dass Philippa fürchtete, ihre Knie würden nachgeben, und sie bräche gleich in Tränen aus.
»Heda«, brummte er leise. »Ich halte Sie vom Schlafen ab. Sie sind ja vollkommen erschöpft.«
»Das stimmt«, erwiderte sie zittrig. »Es tut mir leid.«
»Keine Ursache«, sagte er plötzlich wieder brüsk. Er stützte sie und brachte sie in ihr Zimmer. »Erholen Sie sich gut, Meisterin Winter.«
Sie schaffte es, die Tür zu schließen und sich eines Großteils ihrer Kleidung zu entledigen, dann fiel sie ins Bett. Sie zog die alte Decke bis unters Kinn hoch. Sie roch nach Sonne und frischer Luft, als hätte sie noch vor kurzem auf der Wäscheleine gehangen. In dem alten Bauernhaus um sie herum knackte es leise. Türen wurden vorsichtig geöffnet und geschlossen, und auf der Treppe waren kräftige Schritte zu hören, als die Brüder in ihre Zimmer gingen.
Der Wind strich über das Dach und raschelte in den Blättern des Rautenbaumes. In der Scheune meckerte eine Ziege, ansonsten war es ganz still.
Philippa drehte sich auf die Seite. Ihr Rücken kribbelte noch, wo Broh Hammloh sie mit seiner kräftigen Hand berührt hatte, und das Kissen an ihrer Wange war so alt, dass es ganz weich war. Philippa betete, was nur selten vorkam. Sie betete zu Kalla, dass auch Larkyn heute Nacht ein weiches Bett zum Schlafen hätte und dass Schwarzer Seraph gesund und in Sicherheit war.
Kapitel 38
Z wei Tage lang dämmerte Lark vor sich hin. Sie wach te nur auf, weil sie Schmerzen hatte oder Durst oder Hunger sich meldeten. Sobald Dorsa sich um ihre Bedürfnisse gekümmert hatte, schlief sie wieder ein. Am dritten Tag wurde sie vom Sonnenschein und von dem Geruch eines Frühlingstages in den Bergen geweckt, der durch die offene Tür der Hütte zu ihr hereinwehte. Sie war wieder hungrig und durstig, doch der Schmerz war ein wenig abgeklungen und hatte sich von einem heftigen Stechen zu einem dumpfen Klopfen abgeschwächt. Sie hob den Kopf und sah sich um.
Das blonde Mädchen machte sich am Spülbecken zu schaffen; zu seinen Füßen saß ein kleines Kind, das ebenso helle Haare hatte wie die junge Frau und mit einem Holzlöffel spielte. Als Lark versuchte, sich aufzusetzen, sahen das Mädchen und das Kind sie überrascht an. Sie hatten beide die gleichen dunklen Augen. Das Mädchen eilte hastig zu ihr und half Lark auf den Abtritt. Danach führte es Lark zu einem der beiden klapprigen Stühle an dem kleinen Tisch. Obwohl ihr schwindelig war, empfand Lark es als angenehm, aufrecht zu sitzen.
Das Mädchen brachte ihr eine kleine Wasserschüssel und ein zerschlissenes, aber sauberes Tuch. Lark tauchte das Tuch in das Wasser und rieb sich das Gesicht sauber.
»Ich weiß gar nicht, wie Sie heißen«, sagte sie zu der jungen
Frau, während sie sich Hals und Hände wusch. Die schüttelte nur den Kopf und zuckte mit den Schultern. Das kleine Kind beobachtete Lark aufmerksam, war jedoch genauso stumm wie seine Mutter.
Plötzlich zuckte Angst in Lark hoch. »Tup?«, fragte sie hastig.
Die junge Frau deutete auf die Werkstatt. Hinter den Bündeln getrockneter Kräuter erspähte sie Tup, dessen Schnauze in einem Korb verschwand. »Ist das Hafer?«, erkundigte sich Lark. Die junge Frau nickte. »Danke.« Lark erwiderte das Nicken, wrang das Tuch aus und legte es über den Rand der Schüssel.
Als die junge Frau stumm die Schüssel wegräumte, sah sie Lark kurz in die Augen, senkte dann jedoch sofort wieder den Blick. Irgendwie wirkte sie trostlos, als hätte sie alle Hoffnung aufgegeben.
Sie brachte Lark eine Tasse starken Tee. Während sie trank, beobachtete das Kleinkind sie ernst.
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