Schule der Lüfte wolkenreiter1
Spiel setzen?«
Langsam hob Irina den Blick. Ihre Augen wirkten trübe.
»Ich bin immer noch eine Pferdemeisterin«, entgegnete sie fast trotzig.
»Wer wird denn jetzt noch mit Ihnen arbeiten? Sicherlich niemand in der Akademie! Sobald sich Ihre Treulosigkeit herumspricht, werden Sie sehr wahrscheinlich an den entlegensten Flecken des ganzen Fürstentums geschickt, um dort zu dienen!«
Irinas Wangen röteten sich, bis sie die Farbe alten Backsteins hatten. »Der Fürst hat mir versprochen …«
»Wilhelm hat genug eigene Probleme«, unterbrach Philippa sie bitter. »Wie wir mittlerweile wissen. Wenn das der Rat der Edlen erfährt und sein Verhalten als Hochverrat eingestuft wird … verlieren Sie Ihren Schutzpatron, Irina.«
Bei ihren Worten wurde Irina bleich und kaute nervös auf ihrer Lippe. Philippa wollte noch mehr sagen, doch da hörte sie Stimmen im Hof und trat rasch mit Hester ans Fenster.
Sie war so erleichtert, Broh Hammloh zu sehen, der in Hemdsärmeln gefahren war und gerade vom Ochsenkarren stieg, dass sie ganz weiche Knie bekam. Er musterte die Kutsche, die im Hof wartete, und ging dann mit weit ausgreifenden Schritten zum Haus, während sein jüngerer Bruder den Ochsen wegbrachte. Dabei nahm Broh den breiten Strohhut ab und fuhr sich mit den Fingern durch den dichten Schopf schwarzer Haare, in denen bereits die ersten grauen Strähnen schimmerten. Dann runzelte er die Stirn und biss die Zähne zusammen.
Das, dachte Philippa, macht Oc aus. Das ist kein weibischer Edelmann, der seine Pervertiertheit unter einer bestickten Weste versteckt, Menschen manipuliert und sich über das Gesetz stellt, sondern ein aufrechter Bauer, ein hart arbeitender Mann, ein liebevoller Bruder. Sie drehte
sich zur Tür um und wartete, dass Broh sie öffnete. Irgendwie schien ein schweres Gewicht von ihren Schultern genommen zu werden.
»Da sind Sie ja endlich«, begrüßte er sie ohne Umschweife. Er deutete mit dem Kinn auf Irina. »Die da hilft uns nicht weiter. Erzählt uns nur, dass unsere Schwester verschwunden wäre, mitsamt ihrem geflügelten Pferd.«
»Sie haben Larkyn nicht gefunden, Meister Hammloh?«
»Nein.« Er zog mit dem Fuß einen Stuhl heran, setzte sich und bedeutete ihr mit einer Handbewegung, ebenfalls Platz zu nehmen. »Morgen fahren wir wieder los. Ich habe es noch niemandem erzählt, weil ich nicht genau weiß, was eigentlich geschehen ist. Die da wollte mir nichts sagen, aber Sie werden es tun.« Seine Worte waren respektvoll und dennoch ein Befehl, wie selbst Philippa ihn nicht besser hätte erteilen können.
Mit einem knappen Nicken setzte sie sich. »Sie haben das Recht, danach zu fragen, Meister Hammloh«, erwiderte sie. »Ich weiß nicht, ob ich alles erklären kann, aber ich werde mein Bestes versuchen.«
Peonie trat mit einer Teekanne an den Tisch und schwenkte darüber einen offenbar viel benutzten Fetisch. Sie starrte Philippa mit großen Augen an. Mit einem Seufzer setzte sich Hester auf einen Stuhl Irina gegenüber.
»Der neue Fürst«, begann Philippa, »möchte offensichtlich eine eigene Blutlinie von geflügelten Pferden gründen. Laut Gesetz ist das zwar Hochverrat, aber er ist der Fürst. Eine solche Situation hat es in Oc noch nie zuvor gegeben, in all den Jahrhunderten seiner Geschichte nicht.« Sie warf Irina einen Seitenblick zu. »Das Wichtigste ist, dass wir Larkyn finden, bevor Fürst Wilhelm das gelingt.«
»Was würde er mit ihr tun?«
»Das weiß ich nicht«, gab Philippa zu. »Aber noch weiß sie mehr als wir, und vielleicht will er sie zum Schweigen bringen. Wilhelm ist ein skrupelloser Mann. Und sehr gefährlich, so wie die Mächtigen häufig sind. Ich weiß nicht, wie weit er gehen würde.«
Lark versuchte, die Augen zu öffnen, aber es schien, als lägen Gewichte auf ihren Lidern. Sie seufzte, blinzelte und versuchte es erneut. Diesmal gelang es ihr, und ihre Pupillen gewöhnten sich langsam an das dämmrige Licht. Sie warf einen Blick durch das Fenster und sah, dass es schon wieder Abend geworden war. Am schwarzen Himmel tauchten gerade die ersten Sterne auf. Dann merkte sie, dass sie einen wahren Heißhunger hatte.
Dorsa stand an dem alten Spülbecken in der Ecke und summte vor sich hin, während sie mit einem Löffel in einer Pfanne herumkratzte. »Tup?«, krächzte Lark.
Beim Klang ihrer Stimme drehte sich Dorsa um und lächelte sie an. »Aber ja«, gackerte sie. »Ihr kleines geflügeltes Pferd steht da, gleich hier, hm?« Sie deutete auf die
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