Schule der Lüfte wolkenreiter1
Werkstatt, und Lark hob so weit den Kopf, dass sie an den Bündeln von Kräutern und Wurzeln vorbeispähen konnte. Ihr Blick fiel auf Tups Hinterhand. Er hatte den Kopf gesenkt und knabberte an dem spärlichen Gras vor der Werkstatt. Irgendjemand hatte ihm eine Decke umgelegt und sie mit einer Schnur um seinen Bauch befestigt.
Dorsa trat rasch zu Lark, beugte sich über sie und legte ihr eine Hand auf die Stirn. »Nein, kein Fieber. Gutes Mädchen. Kommen Sie, wir setzen Sie auf, damit Sie trinken können.«
Sie drückte Lark einen Becher klares Bergwasser in die Hände, aus dem sie gierig trank. Nachdem sie ihn geleert
hatte, erklärte sie etwas schüchtern: »Ich bin unglaublich hungrig.«
Dorsa klatschte in die Hände und kicherte, als hätte sie gerade einen Preis gewonnen. »Hungrig! Ja, ja, das ist ein gutes Zeichen!« Sie eilte zurück in ihre Kochnische und kam mit einem vollen Teller zurück, auf dem eingelegte Blutrüben, eine Ecke gelber Ziegenkäse und eine dicke Scheibe Brot lagen. Auf dem Tellerrand fanden sich sogar zwei Butterkekse. »Hier, essen Sie sich satt. Dorsa macht derweil Feuer.«
Das Essen schmeckte besser als alles, woran Lark sich erinnern konnte. Sie versuchte sich zu entsinnen, wann sie das letzte Mal etwas gegessen hatte, aber sie wusste nur, dass es mehr als einen Tag her sein musste.
Nachdem sie den Teller geleert hatte, musste sie den Abtritt benutzen, hatte jedoch Angst, ihr Bein zu belasten. Aber das hatte Dorsa vorausgesehen. Sie stützte Lark, als sie über den Boden hüpfte, blieb bei ihr, während sie die Notdurft verrichtete, und half ihr dann zurück zur Pritsche. Lark tat jeder Knochen und Muskel im Körper weh, und sie war froh, als sie wieder lag.
»Dorsa«, sagte sie. Sie fuhr sich mit der Hand durch ihr wirres Haar und versuchte nachzudenken. »Weiß irgendjemand, dass wir hier sind?«
»Nein, aber nein; die alte Dorsa behält ihre Geheimnisse für sich. Und das Mädchen spricht überhaupt nicht.«
»Ich kann trotzdem nicht hier bleiben«, protestierte Lark schwach. »Tup braucht Bewegung, und ich brauch dringend etwas zum Anziehen. Und ein Bad«, setze sie hinzu, sah dann jedoch missbilligend an sich herunter. Wie sollte sie mit den verbundenen Rippen und dem Knöchel baden?
Dorsa reichte ihr einen Becher des schmerzlindernden
Tranks, klopfte ihr beruhigend auf die Schulter und eilte durch den Raum zu dem schiefen Steinbecken. »Sie sind jetzt wieder daheim, im Hochland. Wir wissen uns zu helfen, hab ich Recht? Morgen kümmern wir uns um das Bad.«
»Aber Tup«, sagte Lark. »Wer kümmert sich um Tup? Und was, wenn jemand ihn sieht?« Bei diesem Gedanken versuchte sie sich aufzurappeln, doch der Schmerz zwang sie, sich rasch wieder hinzulegen.
Dorsa kam mit einem ausgefransten Handtuch in den Händen zurück und knetete es in den Händen, als sie auf Lark hinuntersah. »Sie wollen also nicht gefunden werden«, sagte sie. »Das wollte das andere Mädchen auch nicht, nein.«
»Wer ist sie?«, fragte Lark.
Dorsa zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Und sie kann es mir nicht sagen. Aber sie hatte auch ein Pferd, als sie herkam, o ja.«
»Ein Pferd? Was …?« Doch bevor sie ihre Frage stellen konnte, fielen Lark die Augen zu, der Schmerz ebbte ab, und die Dunkelheit des Schlafs senkte sich über sie.
»O ja«, murmelte Dorsa. »Sie weiß, wie man sich um ein Pferd kümmert. Schlafen Sie jetzt, Larkyn Hammloh, und machen Sie sich keine Sorgen. Bald werden Sie sich besser fühlen. Der erste Tag ist immer der schlimmste.«
Philippa war überrascht, als sie feststellte, dass sich im oberen Stockwerk des Bauernhauses sechs Schlafzimmer befanden. Broh stieß die Tür zu einem Raum auf und trat zur Seite, um sie hineinzulassen.
»Es ist nicht vornehm«, erklärte er, »aber bequem und sauber.«
Er hatte Recht. Der Raum war schmal und hatte eine
niedrige Decke, aber das Bett war weich, und auf dem Fußende lag eine reich bestickte Decke, die bestimmt hundert Jahre alt sein musste. Peonie folgte mit einem Stapel Kopfkissen in den Armen, legte sie ab, verließ den Raum und kam kurz darauf mit einem Krug und einer Schale zurück. Philippa stellte sich an das schmale Fenster und beobachtete, wie die Kutsche weggebracht wurde. Sie hatte Irina Stark nicht daran gehindert wegzufliegen, denn sie glaubte nicht, dass die Verräterin Larkyn noch etwas anhaben konnte. Warum also hätte sie sie aufhalten sollen? Sie fragte Irina auch nicht, wohin sie wollte.
Weitere Kostenlose Bücher