Schule der Lüfte wolkenreiter1
wie ein Fohlen aus. Er würde nie so groß werden wie Hesters Goldener Morgen oder Anabels Chance.
»Denken Sie an die Flügelhalter«, ermahnte Rosella sie und zeigte ihr die Zahnlücken in einem breiten Grinsen.
»Bei Kallas Fersen!«, erwiderte Lark hitzig. »Die werde ich nicht noch einmal vergessen!«
Kapitel 22
P hilippa saß mit einem Buch auf dem Schoß am Fenster ihres Zimmers und sah zu, wie die Mädchen abreisten. Ihre eigene Klasse hatte sich bereits früh am Morgen auf den Weg gemacht, aufgeregt, weil sie auf ihren Pferden nach Hause fliegen durften. Das würde ihnen eine Ahnung von der Unabhängigkeit geben, die sie nach ihrer Prüfung für immer genießen konnten.
Jetzt waren die Familien der jüngeren Schülerinnen gekommen, um ihre Töchter abzuholen. Die Kutschen füllten den ganzen Innenhof. Philippa beugte sich vor und sah, wie Hester neben ihrer Mamá und ihrem kleinen dicken Vater in die Kutsche stieg. Hester winkte ihren abreisenden Freundinnen zu und verabschiedete sich. Die wundervollen Kutschpferde setzten sich in Bewegung, und Goldener Morgen trottete mit Flügelhaltern und Decke nebenher, golden und silbern im frostigen Sonnenschein.
Der Vater von Petra Süß hatte eine offene Kutsche mit einem livrierten Kutscher und einem Lakaien geschickt. Petra stieg auf den Kutschbock und blickte mit einem selbstzufriedenen Gesichtsausdruck auf die anderen Mädchen hinunter. Sie hatte allen Grund, stolz zu sein, dachte Philippa. Die Kutsche war wunderschön und elegant, hatte große Räder und wurde von zwei edlen Grauschimmeln gezogen. Alle drehten die Köpfe nach ihr um, als sie davonfuhr und Zarter Frühling neben ihr hertrottete.
Nachdem die Diener das Gepäck in die Kutschen gehievt hatten, die Mädchen mit ihren Verabschiedungen fertig waren und sich ein paar Eltern begrüßt hatten, leerte sich langsam der Hof. Nacheinander fuhren alle ab, und es bildete sich eine bunte Prozession in Richtung Straße. Jede Kutsche wurde von einem geflügelten Pferd begleitet. In diesem Augenblick bahnte sich der Hammloh’sche Ochsenkarren seinen Weg durch den Verkehr und bog auf den gepflasterten Hof ein.
Philippa legte ihr Buch beiseite und stand auf, um besser sehen zu können. Sie war ein bisschen enttäuscht, als sie bemerkte, dass diesmal nicht Broh Hammloh auf dem Karren saß. Es war der jüngste Bruder … wie hieß der noch gleich? Ach ja, Nikh. Der hübsche Jüngling, der so gern lachte. Die neugierigen Blicke schienen ihn nicht im Geringsten zu beeindrucken, als er vor dem Schlafsaal der Mädchen anhielt. Er begrüßte sogar einige der anderen Kutscher, lüftete den Hut und lachte die gut gekleideten Damen der Edlen des Rates mit weiß blitzenden Zähnen an. Larkyn kam mit ihrer abgetragenen Reisetasche in der Hand angelaufen, um ihn zu begrüßen. Sie warf die Tasche auf den Karren und wich auf dem Weg zum Stall der letzten Kutsche aus. Schließlich kam sie mit Tup am Halfter wieder heraus. Die anderen Kutschen waren weg und der Hof leer.
Philippa war fast geneigt zu überprüfen, ob das Fohlen auch wirklich die Flügelhalter unter der Decke trug, doch sie hielt sich zurück. Das würde Larkyn nie mehr vergessen. Sie hatte ihre Strafe dafür hart abgearbeitet und sich nicht ein einziges Mal beklagt. Diese Lektion hatte sie zumindest gelernt.
Als die seltsame Reisegruppe in Form des langsamen, aber
stetig voranschreitenden Ochsen, des paradierenden, bald einjährigen Fohlens und der kleinen braunen Ziege den Hof verließ, lächelte Philippa in sich hinein. Sie ließ sich in den Sessel sinken und nahm ihr Buch wieder zur Hand. Eine Zeit lang wenigstens würde sie sich keine Sorgen um Larkyn Hammloh und Schwarzer Seraph machen müssen. Broh und die anderen Hammlohbrüder würden schon auf die beiden aufpassen.
Zehn friedliche Tage lagen vor ihr, und sie freute sich darauf. Ihre Mutter und ihr Bruder hatten sie nach Hause eingeladen … vorgeladen wäre vielleicht der treffendere Ausdruck, doch sie hatte ausgeschlagen. Wenn sie ihre Familie besuchte, würde Mersin über nichts anderes sprechen als über die Krankheit des Fürsten und darüber, wie Philippa sich bei Wilhelm einschmeicheln könnte. Ihre Mutter und ihre Schwestern sowie deren Männer würden von ihren Kindern reden, der feinen Gesellschaft, von der neuesten Mode, von Finanzen … und nichts davon interessierte Philippa. Sie bevorzugte viel mehr die Ruhe eines halbleeren Hauses, die Mahlzeiten in der Küche und Ausflüge mit
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