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Schule für höhere Töchter

Schule für höhere Töchter

Titel: Schule für höhere Töchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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einander.«
    »Also sind Sie zufrieden?« fragte ihn Miss Tyringham.
    »Zufrieden? Ich finde mich vielmehr mit der Situation ab. Wie könnte man zufrieden sein? Die Zahl der unbeantworteten Fragen ist überwältigend: Wie kam sie in das Gebäude? Warum sollte sich diese Frau an diesen Ort begeben, was, nach allem was wir von ihr wissen, nicht zu ihr paßt? Warum hatte sie das Etikett, das einzige greifbare Indiz dieses Falles, in ihrer Tasche?«
    »Stammte es von einer Krawatte, die Sie ausfindig machen konnten?«
    »Ja, nichts leichter als das. Großpapa kaufte schon seit Jahren seine Krawatten dort.«
    Reed ging im Zimmer auf und ab. »Warum, um noch ein wenig den Elefanten im Porzellanladen zu spielen, hat sie die grauenvolle Erfahrung ihres Sohnes nachvollzogen? Was hat die Schule mit der Sache zu tun? Könnte es sein – nur so als Schuß ins Blaue –, daß Mr. Jablon fand, die Schule hätte ein ordentliches Durcheinander verdient, weil sie die Schülerinnen zu unpatriotischem Benehmen ermutigt? War er bereit, dafür seine Schwiegertochter zu opfern, an der ihm vielleicht nicht viel lag? Solcherlei Fragen könnte ich noch stundenlang zusammenspinnen.«
    »Gewiß«, sagte Miss Tyringham. »Aber Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet und Kate genausowenig.«
    »Ich war nie der Meinung«, sagte Kate, »daß man die Untersuchung eines Falles auf halbem Weg beenden sollte, weil einen das Problem nicht interessiert oder weil die Schwierigkeiten zu groß werden. Das zeugt von einer schlampigen oder unsachgemäßen Einstellung, wenn nicht von Schlimmerem. Die mangelnde Bereitschaft der Menschen, die Konsequenzen für ihr Handeln zu tragen – die Verschmutzung der Flüsse zuzulassen, um ein neutrales Beispiel zu nennen –, ist für mich grauenvoll. Wie die Zigarettenkonzerne Leute anheuern, die beweisen sollen, daß Rauchen keinen Krebs hervorruft. Meine Güte, jetzt bin ich schon wieder abgeschweift.«
    »Man kann nicht mittendrin aufhören«, sagte Miss Tyringham, »aber man könnte sich weigern, überhaupt anzufangen.«
    »In dem Augenblick, als Sie die Frage stellten, haben Sie bereits angefangen«, sagte Kate. »Wie dem auch sei, selbst wenn wir eine Antwort fänden, hieße das noch nicht unbedingt, daß wir etwas unternehmen müßten, oder?«
    »Ich glaube, da machst du dir etwas vor«, sagte Reed. »Ich schwöre dir, schwöre euch beiden, daß, wenn ihr auch nur noch eine einzige Frage stellt, nur noch ein einziges Detail im Zusammenhang mit jener Nacht untersucht, ihr bis zum Hals in der Sache drinsteckt. Wenn ihr aufhören wollt, müßt ihr es jetzt tun.«
    Ein paar Minuten herrschte Schweigen.
    »Wir sollten lieber anfangen herauszufinden, was in jener Nacht im Hause der Jablons passiert ist. Kate, vielleicht weiß es der Großvater nicht nur, vielleicht erzählt er es Ihnen auch.«
    »Wir sollten außerdem feststellen, wie diese Hunde arbeiten«, sagte Kate, »ich meine, sie uns richtig auf dem Dach ansehen und so weiter. Mr. O’Hara wird sicher nichts dagegen haben, wenn es uns gelingt, die Tiere zu entlasten.«
    Reed starrte beide einen Augenblick an und füllte mit einem tiefen Seufzer aufs neue sein Glas.
    Folglich stiegen Kate und Reed am nächsten Morgen auf das Dach des Theban, zu ihrer Verabredung mit Mr. O’Hara. Er hatte nur mit äußerst schwacher Begeisterung dem Treffen zugestimmt. »Ich habe schon alles der Polizei erzählt, und ich werde es Ihnen nicht noch mal erzählen, damit Sie mir dann erzählen, diese Hunde wären für den Tod von jemandem verantwortlich.« Nur weil sie auf ihrem unerschütterlichen Glauben an die Unschuld der Hunde beharrten, wurden Kate und Reed überhaupt auf das Dach gelassen. »Kitto«, sagte Kate auf dem Weg, »einer der besten Kommentatoren der ›Antigone‹ sagte: ›Mit dem ersten Auftritt des Wächters beginnt der problembeladenste Teil des Stückes.‹ Wie wahr, o Muse, wie wahr.«
    »Wenn Sheridan Whiteside die Bühne betritt«, entgegnete Reed, »sagt er: ›Mir ist speiübel‹, und das scheint mir ein sehr viel geeigneteres Zitat.«
    Sie warteten in der Aula auf Mr. O’Hara. Kate fragte sich etwas unbehaglich, ob er wohl wie Heathcliff erscheinen würde, mit knurrenden Hunden im Gefolge. Doch er kam ganz allein und begrüßte Reed sogar mit einem Anflug von Herzlichkeit. Kate schien er, als ein weibliches Wesen mehr in einer Institution, in der es ohnehin schon allzu viele davon gab, für eher überflüssig zu halten. Er hoffte unverhohlen, daß

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