Schule für höhere Töchter
Bridge als Alibi benutzt hatte. Aber durch geschicktes Befragen hatte der Detektiv aufgedeckt, daß es dem Verdächtigen während seiner Zeit als Strohmann gelungen war, sich irgendwohin davonzustehlen, jemanden zu ermorden und rechtzeitig zum nächsten Spiel zurück zu sein. Hier schien das unwahrscheinlich.
»Man hat mich dort die ganze Zeit gesehen«, sagte Mr. Jablon und machte damit den Bridge spielenden Mörder in Kates Gedanken überflüssig. »Ich bleibe immer am Spieltisch stehen und beobachte, wie ausgespielt wird. Und wenn das Spiel vorüber ist, diskutieren wir darüber.«
»Waren alle zu Hause, als Sie zurückkamen?«
»Das habe ich jedenfalls angenommen. Tatsächlich waren, wie ich heute weiß, alle da, mit Ausnahme meiner Schwiegertochter. Angelica wurde ganz hysterisch, als wir am nächsten Morgen die Nachricht vom Tod ihrer Mutter erhielten. Ich rief unseren Hausarzt an, der mir offen sagte, daß Angelica ins Krankenhaus gebracht werden müßte, da er befürchtete, sie könnte sich etwas antun. Er riet auch zu einer psychiatrischen Behandlung, doch das lehnte Angelica so strikt ab, daß wir nicht weiter darauf bestanden. In dem Punkt scheinen sich alle einig zu sein, daß eine psychiatrische Behandlung nichts nützt, wenn der Patient nicht einverstanden ist.«
»Und was ist mit Ihrem Enkel?«
»Patrick ist seit Monaten in einer eigenartigen und schwierigen Verfassung, die Erfahrung mit den Hunden in der Schule hat die nicht gerade verbessert. In seiner Situation – er verachtet mich, weil ich ihn verachte – hätte ich meine Sachen gepackt und wäre meiner „Wege gegangen. Doch das scheint nicht zu den Gepflogenheiten der heutigen Jugend zu gehören. Sie ist durchaus bereit, ein Dach über dem Kopf, Kleidung und Nahrung von einem Menschen anzunehmen, der in ihren Augen geradezu ein Krimineller ist.«
»Aber er hat Sie doch sicher nie als Kriminellen bezeichnet?«
»Doch, oft sogar. Zum Beispiel gab ihm seiner Meinung nach die Entdeckung – er hat mich gefragt, und ich habe geantwortet –, daß ich Aktien von Firmen besaß, die Kriegsmaterial herstellen, das Recht, mein gesamtes Wertsystem anzuzweifeln. Ich machte ihm klar, daß er seine Ausbildung und seine derzeitige Lebensform gerade diesen Aktien verdankt, aber das hat seiner Empörung nur noch Schuldgefühle hinzugefügt.«
»Meinen Sie nicht, daß er irgendwie recht hat?«
»Nein. Zum Beispiel würde ich keine Aktien von Konzernen kaufen, die Zigaretten herstellen. Ich halte ihre Werbung für unmoralisch und die Schädlichkeit des Rauchens für mehr als ausreichend erwiesen. Ich würde auch ganz bestimmt keine Aktien von Gesellschaften kaufen, die mit suchterzeugenden Drogen handeln, falls solche auf den Markt kämen. Patricks besonderer Widerstand galt Dow Chemical. Er bat mich inständig, diese Aktien zu verkaufen, weil Dow Chemical Napalm herstellt, eine gelartige, brennbare Substanz, die auf Menschen abgeworfen wird und ihnen die Haut verbrennt; man kann sie nicht abwischen. Patrick konnte nicht verstehen, wie jemand bereit sein kann, so etwas zu produzieren. Als er entdeckte, daß wir Saran Wrap und andere Reinigungsmittel von Dow verwenden, hat er sie weggeworfen.«
»Aber die Aktien haben Sie nicht verkauft.«
»Ich hatte mich entschieden, das zu tun. Schließlich bin ich aus ähnlich eigenmächtigen und willkürlichen Gründen gegen manche anderen Firmen. Aber gerade als ich die Aktien verkaufen wollte, verlor Dow den Regierungsvertrag für die Produktion von Napalm, und Patrick stimmte mir zu, daß es keinen Grund mehr gab, zu verkaufen. Schließlich produzierte Dow nicht mehr für den Militärsektor als manch andere Gesellschaft, an der ich Anteile besitze.«
»Aber wenigstens hatten Sie ihm in einem Punkt zugestimmt…«
»Später hat mir das leid getan. Nicht nur weil dabei ein falsches Prinzip eine Rolle gespielt hat, sondern auch weil ich den sogenannten militärisch-industriellen Komplex unseres Landes unterstütze. Nichts am Krieg ist schön oder human. Aber er ist notwendig.«
Kate fühlte sich in Mr. Jablons Gegenwart unwohl. Sie war nicht seiner Meinung, das verstand sich von selbst, und sie hatte nicht vor, ihm das zu sagen. Sie war mit seinen Einstellungen nur allzu vertraut, um damit Zeit zu verschwenden, wo es doch andere so viel dringlichere Dinge gab. Was Kate irritierte war, daß sie Mr. Jablon recht gut leiden konnte und seinen Standpunkt aus seiner persönlichen Sicht für ehrenwert und vertretbar
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