Schule für höhere Töchter
umgebracht hat; sie wurde ja nicht umgebracht, wie Sie wissen. Würden Sie in dem Fall zur Nachsicht neigen?«
»Je nachdem. Nein, ich will nicht ausweichen, es würde wirklich von den Umständen abhängen. Die Eltern gehen mich wohl kaum etwas an. Eine Lehrerin schon. Die Frage wäre, ob ich sie in Anbetracht dieser neuen Erkenntnisse immer noch für fähig halte, ihre Arbeit angemessen zu leisten.«
»Was nun nicht sehr aufrichtig ist.«
»Nein, das ist es nicht. Aber Ihre Frage ist es genausowenig. Sie fragen mich, ob Sie mir den Namen einer Lehrerin, die mit der Sache zu tun hat, sagen dürfen oder nicht; da ich sie möglicherweise hinauswerfe, dürfen Sie es nicht. Man kann nur auf aufrichtige Fragen aufrichtige Antworten finden, wenn überhaupt.«
»Das ist nur fair. Aber es handelt sich ohnehin nur um einen winzigen Verdacht, also machen Sie sich keine Sorgen. Ich frage mich außerdem, ob ich nicht an diesem Punkt abbrechen sollte, aber ich weiß gleichzeitig, daß ich es nicht darf. Nicht wenn wir noch rechtzeitig zum Verlies kommen wollen.«
»Was für ein Verlies?«
»In dem sich Angelica befindet. Das Verlies der Schuldgefühle vielleicht.«
»Du lieber Himmel.«
»Seltsamerweise ist mir auch der Großpapa wichtig. Und das Theban. Werden Sie trotz allem die Hunde behalten?«
»O ja, sie sind noch immer der preiswerteste und beste Schutz, den wir finden können, und jetzt, da sie so berühmt sind, werden sie sogar noch besser sein. Zumal ihre Unfehlbarkeit so eindeutig bewiesen wurde.«
»Ich frage mich, warum Sie einen derartigen Frauenhasser zum Schutz einer Mädchenschule engagiert haben.«
»Meine Liebe, diejenigen, die Frauen am meisten fürchten, schützen sie am eifrigsten, zu ihrem eigenen Besten, vorausgesetzt natürlich, sie sind keine Triebverbrecher, und Mr. O’Hara ist nicht nur über diese Zeit hinaus, nein, er hat die besten Empfehlungen vom Pentagon abwärts.«
»Über jeden Zweifel erhaben.«
»Und unter aller Kritik. Er ist trotzdem ein ausgezeichneter Wächter. Ich bin alt genug, um das für wichtiger zu halten als eine völlige Übereinstimmung mit meiner Meinung. Glücklicherweise haben Rose und Lily keine eigene Meinung.«
»Haben Sie gerade meine schwierige Frage beantwortet? Ja, du lieber Himmel, tatsächlich«, sagte Kate und machte sich auf den Weg.
Sie machte in der Halle halt und drängte Miss Strikeland solange, bis diese Mr. Jablon anrief. Kate war sich zwar bewußt, daß es Reed am Vorabend gelungen war, sie von einer nahegelegenen Telefonzelle aus anzurufen, aber nicht einmal das konnte Kate von der Überzeugung abbringen, daß kein einziges öffentliches Telefon in New York funktionierte. Üblicherweise hingen die Hörer senkrecht nach unten und dokumentierten so ihre hilflose Ohnmacht – wenn man Glück hatte. In anderen Fällen fütterte man sie mit Münzen, wurde aber weder mit einem Amtszeichen noch mit der Rückgabe seines Geldes belohnt. Wie die meisten Menschen, die in New York nicht nur überleben, sondern die Stadt auch weiterhin lieben wollen, hatte Kate es sich zur Gewohnheit gemacht, die offenkundigsten Quellen von Frustration und Ärger zu umgehen: Taxis zur Stoßzeit und Telefonzellen zu jeder Zeit. Miss Strikeland stellte mit erfreulicher Effizienz die Verbindung her.
Doch Mr. Jablon war nicht zu Hause; er war schon ins Büro gegangen. Es überraschte Kate, zu erfahren, daß ein älterer Mann, der tagelang die Eingangshalle einer Schule beobachtete, ein Büro besaß; sie fragte nach der Nummer und erhielt sie auch, und es gelang ihr, mit weiterer Hilfe von Miss Strikeland, Mr. Jablon dort zu erreichen. Er sagte, er würde sich freuen, sie so bald wie möglich in seinem Büro zu begrüßen. Kate winkte Miss Strikeland ein Dankeschön zu und ging in einen Tag hinaus, der ganz offensichtlich aus längeren Fußmärschen bestehen würde.
Es zeigte sich, daß Mr. Jablons Büro in einem neuen und eleganten Gebäude in den Fünfzigern der Park Avenue lag. Sein Büro war ein großer Raum mit einem kleinen Vorzimmer, dessen Zwischentür er Kate selbst öffnete. Die Einrichtung erinnerte eher an einen behaglichen Wohnraum, und Kate setzte sich in einen bequemen Sessel, während er in einem anderen Platz nahm. An einer Wand stand ein großer Schreibtisch.
»Ich erledige hier einen Teil meiner Arbeit«, sagte Mr. Jablon, ihrem Blick folgend. »Kapitalanlagen und so weiter. Ich rufe meinen Börsenmakler an, er ruft mich an. Ich lese verschiedene
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