Schule versagt
immer im falschen Wald.
Wenn ich weiß, dass ich in dem Wald bin, der auf die paradiesische Lichtung führt, das Ziel meines Weges, kann ich getrost beginnen zu überlegen bzw. zu erfühlen, welcher Weg der beste ist, um dorthin zu kommen. Die grundsätzliche Entscheidung ist getroffen. Jetzt geht es um Effektivität im Erreichen des Ziels. Am besten entscheidet man sich dann dafür, das Wichtigste zuerst zu tun. Sollte ich einen Weg suchen, einen Fußpfad, der bereits vorhanden ist oder schlage ich mir eine Bresche durch das Dickicht, weil dieser Weg kürzer ist? Oder anders gesagt: Soll ich erst mit dem aggressiven Schüler reden oder in meinem Verhalten ausdrücken, was ich von ihm erwarte? Ist es richtig, seine hinter dem Verhaltensteckende Angst zu enthüllen oder braucht er erst Erfolgserlebnisse, bevor dieser Erkenntnisprozess möglich ist? Muss ich ihn im wahrsten Sinne des Wortes ent-täuschen, also von seiner Täuschung über sich selbst lösen, oder braucht er erst die Vision dessen, was er leisten und sein könnte? Die Beantwortung solcher Fragen war mein täglich Brot in der Schule. Vor ihrer Beantwortung steht, dass ich selbst fit genug bin, den Weg zu gehen. Übertragen auf Schule und die Anstrengungen des ernst genommenen Lehrerberufs heißt das, sich selbst emotional zu stärken, das eigene Leben so zu organisieren, dass man gut gelaunt, freundlich und gelassen ist. Kleine Abhebungen vom »Vertrauenskonto« sind dabei kein Problem. Wichtig ist die grundsätzliche authentische Haltung. Die Frage nach der eigenen Regeneration und Entwicklung, die in pädagogischen Aufsätzen ab und zu gestellt wird, ist damit bereits beantwortet. Joachim Bauer nennt das das gesunde Gleichgewicht zwischen Engagement und Distanz. Ich möchte hinzufügen, dass das eigene Wohlbefinden, nicht zu verwechseln mit Verwöhnung, die Voraussetzung für das Interagieren in der Schule ist. Wer Wohlbefinden hat, gibt auch dieses Lebensgefühl weiter und er ist fit für den Weg durch den richtigen Wald, für welche Option er sich auch immer entscheidet. Und es wird, bei einer derart gefestigten Persönlichkeit, ein eigener, effektiver, funktionaler Weg sein und nicht der eines Social Mirrors.
So ein langer, weiter Weg durch den Wald, wenn es auch der richtige ist, kann auch körperlich sehr anstrengend sein. Es ist wichtig, vor allem um die Disposition der Opfermentalität zu vermeiden, auch hier »Täter« zu bleiben. Deshalb ist ein trainierter Körper ohne überflüssiges Gewicht und gesund ernährt von großem Vorteil. Bevor ich in die Schule ging, begann ich mit einem gezielten Yogatraining, das hervorragend auf Körper und Psyche wirkte.
Das ist der ganzheitliche Prozess, der Körper, Geist, Psyche und die moralische Grundhaltung umfasst. Er dauert ein ganzes Leben. Er bedeutet, täglich neu geboren zu werden. Er meint, die ganze Person zu entwickeln und in den selbst gewählten Arbeitsplatz Schule einzubringen: »It is never too late for us to become what we might have been.« 3
3. Vorbild sein!
»We must become the change we seek in the world«, hat Mahatma Gandhi einmal gesagt. Das gilt auch und besonders für Lehrer, die immer Vorbild sind, ob sie wollen oder nicht. Nur haben sie es selbst in der Hand vorzugeben, welches. Vorbild sein kommt von innen. Das eigene Ethos ist die Voraussetzung dafür. Das Vertrauen, das andere in unsere Integrität haben, kann nur gewonnen werden, wenn wir selbst dieses Vertrauens würdig sind. Absolute Vertrauenswürdigkeit, das Beispiel, das wir geben, setzt Reife voraus und impliziert eine charakterliche Mentalität, die mit ihrem eigenen Wissens-, Kompetenz- und Erfahrungslevel freigiebig umgeht. Eine hortende Persönlichkeit kann weder wirklich lehren, im Sinn von etwas geben, noch empathisch zuhören.
Sich diesen Dreiklang – Ethos, Pathos, Logos – bewusst zu machen, ihn zu verinnerlichen und zu leben, ist eine gute Übung für jeden Lehrer. Schon in der Ausbildung sollte damit begonnen werden. Der erste Schritt dabei ist, die eigene Vertrauenswürdigkeit zu entwickeln (Ethos), um überhaupt eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen zu können. Der Versuch, erst andere zu verstehen, bevor man selbst verstanden werden möchte (Pathos), ist der zweite Schritt. Der dritte Schritt ist die Kunst, selbst verstanden zu werden, etwas zu vermitteln, die Kraft der eigenen Präsentationsfähigkeit (Logos) zu haben, die weit über den bloßen Unterrichtsstoff hinausgeht. Sie
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