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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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Südpol. Diese Distanz sorgt für gewisse Abweichungen. Erschwerend kommen die hiesigen Witterungsbedingungen hinzu, die den Satellitenempfang erheblich verschlechtern können. Dann die atmosphärischen Störungen am Pol, durch die zuweilen …«
    »Die Peilung ist also nicht zentimetergenau?« Henry spürte neue Hoffnung in sich aufkeimen. »Das heißt, wir befinden uns möglicherweise gar nicht exakt an jenem Punkt, von dem Dads letztes Peilsignal aufgefangen wurde? Es könnte auch, sagen wir … erst einen halben Kilometer weiter abgerissen sein? Vielleicht sollten wir dann zunächst die Umgebung durchkämmen? Vielleicht finden wir eine Spur, die darauf hindeutet, was …«
    Golitzin schüttelte milde den Kopf. »Du siehst doch selbst, dass hier in weitem Umkreis nichts ist. Ob der Computer die hypothetische Fortsetzung des Kurses nun von hier aus berechnet oder hundert Meter weiter links oder rechts, wird nichts …«
    Ein lautes Knacksen drang aus dem Lautsprecher des Bordfunkgeräts.
    »Dr. Golitzin, hören Sie?« Verunsicherung schwang in der sonst so beherrschten Stimme Morten Grays mit. »Wir haben hier etwas gefunden, das Sie sich einmal ansehen sollten.«
    Sofort hatte Golitzin das Sprechteil in der Hand. »Was ist los, Mr Gray? Wie ist Ihre Position?«
    »Wir befinden uns etwa sechshundert Meter südöstlich von Ihnen. Wäre die Sicht besser, könnten Sie uns noch sehen. Warten Sie, Lincoln aktiviert gerade die Signallampen auf dem Dach.«
    Golitzin warf einen Blick auf den Kreiselkompass im Instrumententräger, dann spähte er mit zusammengekniffenen Augen in die entsprechende Richtung. Henry tat es ihm gleich. Sekunden später sah er in der Ferne, fast verborgen hinter Schichten wirbelnder Eiskristalle, ein orangefarbenes Licht aufblitzen.
    »Wir sehen Sie. Rühren Sie sich nicht von der Stelle, wir sind gleich bei Ihnen.«
    Golitzin trat aufs Gas, und das schwere Fahrzeug machte einen Satz vorwärts. So schnell er es angesichts der bescheidenen Sichtverhältnisse wagte, steuerte der Russe den SnoCat über das Eis.
    Rasch war die Lichtquelle deutlicher auszumachen, zwei gelbe Drehleuchten, die gut drei Meter über dem Boden rotierten. Der kastenförmige Umriss des Hägglund schälte sich darunter aus dem glitzernden Nebel, und schließlich konnten die Insassen des SnoCat auch das Objekt erkennen, vor dem Gray angehalten hatte.
    Es war ein gelbes Pyramidenzelt, halb unter Schnee begraben. Auf der gelben Plane prangte ein großes zackiges S.

9
     
    ANTARKTIS, 10. APRIL 2013
     
    Im Handumdrehen waren alle im Freien. Golitzin, Eileen und Lamont holten Klappspaten und begannen, die hüfthohen Schneeverwehungen rund um das Zelt fortzuschaufeln. Henry wollte ihnen helfen, aber Professor Albrecht hielt ihn nach kurzer Rücksprache mit Golitzin zurück. Zunächst verstand Henry nicht warum, dann wurde ihm klar, dass die beiden es aus irgendeinem Grund für besser hielten, sich zunächst persönlich davon zu überzeugen, was sich im Innern des Zelts befand.
    Ein Wirbel grässlicher Befürchtungen vernebelte Henrys Gedanken. Was erwartete Golitzin zu finden? Etwas, dessen Anblick Henry schockieren könnte? Rechnete er etwa damit, sein Vater könnte … Nein, das war absurd: Niemand ließ einen Toten einfach in einem Zelt zurück, nicht einmal in der Antarktis!
    Andererseits … was machte ein Forscherteam am Ende der Welt eigentlich, wenn es zu einem unvorhergesehenen Todesfall kam? Hackten die Mitglieder ein Loch ins Eis und verscharrten ihren Kollegen im kalten Bauch der Antarktis? Oder sammelten sie ihn auf dem Rückweg wieder ein – wie ein Abfalldepot?
    Urplötzlich war sich Henry sicher, dass sein Vater tot im Innern des gelben Zeltes liegen musste. Ihm wurde schwindelig, und er spürte, wie seine Beine unter ihm nachzugeben drohten. Dann ertönte plötzlich ein Ruf Boris Golitzins. Er hatte die Eingangsschleuse des Zelts geöffnet und war eingetreten.
    »Alles in Ordnung. Professor, würden Sie nachkommen? Und du natürlich auch, Henry!«
    Hastig drängte sich Henry an den anderen vorbei, durch die Öffnung in der Kunststoffplane.
    Es handelte sich um ein Zweimannzelt, die Bauweise ähnelte der ihrer eigenen Unterkünfte. Im Innern standen zwei große graue Alucontainer, beide mit dem S-Logo der Spyker Corporation versehen. Auf dem Boden, teilweise bedeckt von einer Schneeschicht, lag ein klappbarer Rolltisch aus Stahl. Dahinter klaffte ein langer Riss in Innen- wie auch Außenplane des Zelts. Der

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