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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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manchen Gebieten selbst aus dem Weltall nur verschwommene Aufnahmen zustande bekäme.«
    »Das könnte die Erklärung sein.« Der Professor nickte so heftig, dass ihm beinahe die Brille von der Nase hüpfte. »Diese Region liegt fernab der gängigen Versorgungsrouten der Polarflugzeuge. Möglicherweise sind wir seit hundert Jahren die ersten Menschen hier – und damit die Ersten, die Gelegenheit haben, das Massiv mit eigenen Augen zu sehen.«
    Henry kehrte auf seinen Platz zurück. »Wenn ich ehrlich bin, ist mir egal, woher diese Berge kommen. Was mich viel mehr interessiert, ist, dass sie offenbar das Ziel waren, zu dem Dad unterwegs war.«
    Dr. Golitzin nickte. »Laut GPS sind es bis zu jenem Punkt, dessen Koordinaten in den Aufzeichnungen deines Vaters auftauchen, noch rund siebenundvierzig Kilometer. Wenn sich uns keine Hindernisse mehr in den Weg stellen, schaffen wir die Strecke bis zum Einbruch der Dunkelheit.«

16
     
    AM FUSS DER UNBEKANNTEN BERGKETTE,
    13. APRIL 2013
     
    Zwei Stunden später hatten sie die ersten Ausläufer der Berge erreicht. Wie die Zähne eines unvorstellbar großen Raubtiers ragten sie beinahe senkrecht aus dem blütenweißen Eis empor. An einigen besonders steilen Hängen hatte der Schnee sich nicht halten können und gab den Blick frei auf schwarzes, von verwitterten Furchen durchzogenes Gestein. Henry fühlte sich bei dem Anblick an die Haut eines uralten Wals erinnert.
    »Da wären wir.« Mit einem verhaltenen Ächzen brachte Dr. Golitzin den SnoCat zum Stehen. Trotz seiner bärigen Statur waren ihm die Strapazen der vergangenen Tage mittlerweile deutlich anzumerken. Sein Gesicht oberhalb des borstigen Vollbarts wirkte blass, die Augen eingesunken und müde. »Unser Zielpunkt befindet sich geradeaus, hinter dieser Reihe schartiger Gipfel – da, die vier, die aussehen wie die abgebrochenen Klauen einer Hexe. Ich frage mich allerdings, wie wir auf die andere Seite …«
    »Da ist ein Pass«, unterbrach ihn Morten Gray über Funk.
    Der Hägglund hatte neben ihnen gehalten. Durch eines der Fenster im Vorderwagen war die hochgewachsene Gestalt des Kommunikationstechnikers zu erkennen, der mit einem Feldstecher das vor ihnen liegende Terrain sondierte. »Halblinks, auf elf Uhr. Ein Einschnitt zwischen den Bergen, kaum vierhundert Meter hoch gelegen. Davor befindet sich ein lang gezogener Hang. Steil, aber unter Umständen befahrbar.«
    Henry griff erneut zum Fernglas und spähte hindurch. Zunächst fand er die Stelle nicht, bis ihm klar wurde, dass er in die falsche Richtung schaute. Sekunden später entdeckte er den Einschnitt zwischen zwei Bergrücken, davor den steilen, von Geröll bedeckten Hang, den Gray erwähnt hatte. Und ganz unten, am Fuß der Schräge …
    »Da ist etwas Rotes – ich glaube, es ist ein SnoCat!« Henrys Stimme überschlug sich vor Aufregung.
    »Ein Fahrzeug? Gib her!« Golitzin riss ihm das Glas aus der Hand und spähte hindurch. »Priwjät, tatsächlich! Das könnte eines der beiden Fahrzeuge sein, mit denen Dr. Wilkins von McMurdo aufgebrochen ist.« Achtlos warf er den Feldstecher Professor Albrecht in den Schoß, packte das Steuer und trat aufs Gaspedal.
    Auch die Besatzung des Hägglund schien den roten Punkt entdeckt zu haben. Als der SnoCat vorwärtsruckte, konnte Henry durch eines der eckigen Fenster Lincoln erkennen, der euphorisch zu ihm herüberwinkte und beide Daumen in die Höhe reckte.
    Wenige Minuten später gab es keinen Zweifel mehr: Am unteren Ende des Hanges parkte ein SnoCat in Polarausstattung, wie sie selbst einen fuhren. Im Näherkommen zeigte sich, dass er ordentlich abgestellt und mit Spanngurten gegen Stürme und Schneelawinen gesichert worden war. Obwohl er unbeschädigt wirkte, löste der Anblick in Henry zwiespältige Gefühle aus.
    Sein Vater war mit zwei Fahrzeugen aufgebrochen. Was war aus dem anderen geworden?
    Golitzin brachte den SnoCat zum Stehen. Die Insassen stiegen aus und eilten über den knirschenden Schnee zu dem Polarmobil hinüber.
    Henry erreichte es als Erster. Er packte den Griff der Seitentür und versuchte, sie aufzureißen, doch sie rührte sich keinen Millimeter. Mit einem Satz, der dank seiner dicken Expeditionskleidung weniger elegant geriet als beabsichtigt, sprang er auf eine der breiten Laufketten und begann, mit seinem Handschuh die Schicht aus Eiskristallen abzuhobeln, die sich auf den Scheiben gebildet hatte.
    Als die anderen ihn einholten, hatte er eine postkartengroße Stelle freigerubbelt. Trotz

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