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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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die Mappe Satellitenfotos der Antarktisregion enthielt.
    Er setzte das Fernglas an und blickte hindurch. »Man kann jetzt allmählich die Gipfel erkennen«, verkündete er. Fasziniert betrachtete Henry die Felsformation. Je weiter sie auf das Massiv zurollten, desto deutlicher traten die Spitzen der einzelnen Berge hervor. Noch immer schien ein zweites, identisches Gebirge darüberzuschweben, nun allerdings mit einem sichtbaren Abstand.
    »Das liegt am Blickwinkel«, murmelte Golitzin. »Je näher wir kommen, desto steiler wird er. Dadurch verändert sich die Brechung der Lichtstrahlen in den unterschiedlich dichten Luftschichten.«
    »Ohne das zweite Gebirge obenauf wirkt es gar nicht mehr so angsteinflößend.« Henry setzte das Fernglas ab und spähte mit bloßem Auge weiter in die Ferne. »Als ich mit Dad in Südamerika war, habe ich höhere Berge gesehen. Was sagten Sie, wie hoch dieses Massiv sein könnte, Dr. Golitzin? Zweitausend Meter?«
    »Höchstens. Der größte Teil davon dürfte allerdings im Schichteis verborgen liegen. Der Eisschild ist hier rund drei Kilometer dick, daher können die höheren Gipfel gut und gern auf fünftausend kommen.«
    »Was haben Sie eben gemeint, Professor, als Sie sagten, ein Gebirge könnte in gewisser Weise einfach aus dem Nichts auftauchen?«, wollte Eileen wissen.
    »Nun, diese Berge könnten lange Zeit vollständig unter dem Eis verborgen gewesen sein«, erwiderte Professor Albrecht nachdenklich. »Möglicherweise sind sie erst vor Kurzem zum Vorschein gekommen. Wobei ›vor Kurzem‹ in diesem Zusammenhang immer noch einen Zeitraum von etlichen Zehntausend Jahren bezeichnen würde.«
    »Glauben Sie, das Eis, das die Berge bedeckt hat, könnte geschmolzen sein?« Henry runzelte die Stirn.
    »Warum nicht?« Eileen deutete durch die Scheibe in den blassblauen Himmel. »Unser Planet erwärmt sich seit Jahren unablässig. Der Mensch bläst tagtäglich giftige Gase in die Atmosphäre. Der daraus resultierende Treibhauseffekt …«
    »Papperlapapp!« Golitzin schnitt ihr mit einer barschen Geste das Wort ab. »Erstens ist unter Atmosphärenforschern nach wie vor umstritten, ob die aktuelle Erwärmung des Planeten tatsächlich auf menschliche Ursachen zurückgeht. Und zweitens hat sich die Durchschnittstemperatur auf unserem Planeten während der letzten hundert Jahre lediglich um null Komma sechs Grad erhöht. Das reicht nicht mal im Ansatz, um ein über tausend Meter hohes Gebirge freizulegen.«
    »Zudem wäre der Eisschild dann nur hier abgetaut«, fügte der Professor hinzu. »Wäre das Schichteis auf einer größeren Fläche zurückgegangen, hätte es überall auf der Welt zu Flutkatastrophen kommen müssen.« Er schloss die Kladde mit den Satellitenfotos und starrte nachdenklich durch die Scheibe. »Bei genauerer Betrachtung erscheint mir eine andere Theorie wesentlich einleuchtender.«
    »Und die wäre?«, quäkte Morten Grays Stimme aus dem Lautsprecher. Das Bordfunkgerät stand seit der Sichtung der mysteriösen Berge auf Empfang.
    »Das Grundgestein könnte sich als Folge geomorphologischer Aktivitäten in dieser Region gehoben haben. Auf diese Weise könnten sich die Gipfel einer Bergkette, die zuvor dicht unter der Oberfläche begraben lagen, aus dem Eis hervorgeschoben haben.«
    »Die Eisdrift könnte den Effekt unterstützt haben«, warf Golitzin ein. »Es ist bekannt, dass das Grundgestein seit Jahrmillionen vom Gewicht der Eismassen nach unten gedrückt wird. Wenn sich Teile davon verlagern würden, könnte dies das Aufsteigen ganzer Landstriche zur Folge haben.« Über die Schulter, an Henry gewandt, fügte er hinzu: »Das antarktische Eis ist ständig in Bewegung. Als Folge der Eisdrift muss beispielsweise die optische Markierung des geografischen Südpols jedes Jahr um fast zehn Meter versetzt werden.«
    »Aber hätte nicht auch dieser Vorgang lange Zeit in Anspruch nehmen müssen?«, wandte Eileen ein.
    »Man hätte die auftauchenden Berggipfel auf Satellitenfotos sehen müssen«, pflichtete Henry ihr bei.
    »Oder auch nicht.« Grübelnd kraulte sich Golitzin den Bart. »Es gibt Regionen in der östlichen Hälfte des antarktischen Festlands, in denen außergewöhnlich starker Geomagnetismus herrscht. Die dortigen Kraftfelder sind stellenweise stärker als im Bereich des magnetischen Südpols. Ich erinnere mich, dass mir einer der Wissenschaftler, die ich seinerzeit zur Wostok-Station begleitete, erzählte, die Verhältnisse seien so extrem, dass man von

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