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Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis

Titel: Schumacher, Jens - Frozen - Tod im Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Schumacher
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Hais. »Dann haben wir hier also den jungen Henry Willems? Was für eine nette Überraschung. Mit einem Kind hätte ich an diesem Ort nun wirklich nicht gerechnet!«
    Henry ignorierte den abfälligen Ton von Spykers Worten. Seine Gedanken rasten.
    Was hatte der Geldgeber seines Vaters in der Antarktis zu suchen? Stand seine Anwesenheit in irgendeiner Verbindung mit Donald Wilkins’ Verschwinden? Und warum behandelte er sie wie Schwerverbrecher?
    »Was wollen Sie von uns, Mr Spyker?«, richtete Professor Albrecht das Wort an den Großindustriellen. Henry bemerkte, dass er sich trotz seiner Verwirrung um einen ruhigen, sachlichen Ton bemühte. »Wir führen eine harmlose Rettungsexpedition durch und befinden uns auf internationalem Territorium. Sie haben kein Recht, uns zu bedrohen.«
    »Sie haben Waffen über den sechzigsten Breitengrad gebracht«, stellte Dr. Golitzin fest. »Das ist ein Verstoß gegen die Vereinbarungen des Antarktisvertrags.«
    »Was haben Sie mit Morten Gray gemacht?«, mischte sich Dr. Lamont von der Seite ein. »Wo steckt er?«
    Henry sah sich um. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Kommunikationstechniker nicht bei ihnen war.
    »Mr Gray geht es bestens, machen Sie sich um ihn keine Sorgen.«
    Ein Uniformierter trat aus dem Hintergrund neben den Hightech-Rollstuhl und flüsterte dem Großindustriellen etwas ins Ohr.
    »Gut.« Spyker nickte. »Bringen Sie alle Dokumente, Computer und sonstigen Aufzeichnungsmedien in meine Kabine an Bord des S1. Ich sichte sie später.« Der Soldat verschwand und Spyker wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Gruppe zu. »Ich schlage vor, dass wir uns für die Fortsetzung unseres angeregten Plauschs an einen angenehmeren Ort begeben. Hier draußen ist es auf die Dauer etwas frisch.«
    Er vollführte einen kaum merklichen Wink mit der Hand, worauf die Soldaten auffordernd ihre MPs hoben. Sein fahrbarer Untersatz wendete auf der Stelle und rollte in die Richtung zurück, aus der er gekommen war.
    »Wenn die Herrschaften so freundlich wären, mir zu folgen?«

24
     
    AM RAND DER RUINENSTADT,
    15. AUF DEN 16. APRIL 2013
     
    Das Innere von Spykers Polarmobil sah aus wie eine Mischung aus einer Weltraumkapsel und dem Nightliner einer Rockband. Unmittelbar hinter dem breiten, über eine ausfahrbare Rampe zu betretenden Eingangsschott führte eine schmale Treppe in ein Obergeschoss. Henry vermutete, dass sich dort die Kojen der Mannschaft befanden. Für einen kurzen Moment beneidete er die Soldaten um die behagliche Wärme, in der sie ihre Reise hatten verbringen dürfen, ganz ohne den umständlichen Auf- und Abbau von Polarzelten. Bevor er sich weiter umsehen konnte, spürte er erneut den Lauf einer MP zwischen den Rippen und beeilte sich weiterzugehen.
    Durch einen kurzen Korridor, von dem metallene Schiebetüren mit Aufschriften wie L ABOR , C ATERING oder M AGAZIN abzweigten, gelangten sie in einen erstaunlich großen Raum, der von einem elliptischen Tisch dominiert wurde. Auf einer umlaufenden Schiene waren acht Drehstühle angebracht. Riesige Flatscreens dominierten die Wände. Auf einigen flackerten Zahlenkolonnen, die wie Positionsdaten aussahen, andere zeigten animierte Satellitenbilder des antarktischen Kontinents. Durch eine große Scheibe konnte man nach vorn ins Cockpit des Gefährts sehen. Es erinnerte an die Steuerkanzel eines Jumbojets: Unzählige Regler, Digitalanzeigen und Lämpchen blinkten und flackerten wie die Skyline einer nächtlichen Großstadt.
    Auf Geheiß der Soldaten nahmen Henry und die anderen am Tisch Platz. Spyker rollte um das Möbel herum, bis er das Cockpit im Rücken hatte. Der Asiat, den er Mr Isidro genannt hatte, bezog schweigend hinter ihm Aufstellung und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Glasscheibe. Ohne weitere Anweisung zogen die Soldaten sich in die Ecken des Raumes zurück, jedoch nach wie vor mit gezückten Waffen.
    Wayne Spykers Blick glitt langsam über seine Gefangenen hinweg. Vor ihm auf dem Tisch lag eine Handvoll Pässe – ihre Reisedokumente, die die Soldaten aus ihren Zelten geholt hatten. Ohne Eile nahm Spyker einen nach dem anderen auf, verglich die Fotos mit den Gesichtern am Tisch.
    Als er fertig war, schenkte er der Runde erneut ein mildes Lächeln. Für einen kurzen Moment erinnerte er Henry auf erschreckende Weise an eine Raubkatze, die gerade eine Gazelle erlegt und gefressen hat: zufrieden und milde gestimmt, aber jederzeit in der Lage, unerwartet und mit tödlicher Macht wieder

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