Schummeln fuer die Liebe
es meine »große Liebe«, die da nicht schreibt.
»Würdest du deine große Liebe elf ganze Tage auf Post warten lassen?«, fragt Teresa und dreht sich um.
»Wahrscheinlich nicht!«, brummt Flo, der gerade von Stadlers Terrasse zu uns rüberkommt.
»Lene ist verknahallt!«, brüllt Tonki aus der Hängematte zu uns runter.
»Verknallt, verknallt, verknahallt!«, echot Tiki.
Und Papa, der noch ein paar Urlaubstage übrig hat, lässt seine Zeitung sinken und fragt in diesem nervigen Verarschertonfall: »Tatsächlich? Und in wen?«
»Er heißt Raoul und wohnt in der Schweiz!«, brülle ich, stampfe ins Haus und knalle die Terrassentür hinter mir zu. Draußen stehen Flo und Teresa und guckenverblüfft hinter mir her. Toll gemacht, Magdalena Lohmaier, wirklich. Wütend stampfe ich in mein Zimmer und werfe mich aufs Bett.
Mathe wär jetzt nicht schlecht. Ganz fiese Gleichungen. Oder eine Stunde Horrorenglisch bei der Haferkamp. Am besten mit Vokabelabfragen
und
Grammatik-Ex. Alles, bloß nicht dieser Affenzirkus da unten. Ich bleibe eine Weile hier oben liegen.
Mit jeder Minute schwindet meine Hoffnung, dass mir jemand nachkommt. Flo wäre mir natürlich am liebsten. Und Teresa? Was ist mit ihr? Schließlich ist sie meine beste Freundin, auch wenn sie tausendmal in Flo verliebt ist. Ich bleibe liegen und liegen. Hier oben ist es höllisch heiß.
Langsam wird mir das zu blöd. Ich stehe auf und gehe runter ins Bad. Aus dem Badfenster kann ich den Garten überblicken. Tiki und Tonki sind rüber zu Stadlers gerannt und spielen eins ihrer seltsamen Spiele. Wahrscheinlich Wassernixe und verwunschener Prinz oder irgendwas in der Art.
Flo und Teresa sitzen in der Hängematte. Nebeneinander! Sie lassen die Beine baumeln und unterhalten sich. Ich beiße mir auf die Lippe. Geheult wird nicht. Das steht schon mal fest.
Teresa sieht schon wieder wahnsinnig hübsch aus. Sie trägt heute kurze Hosen in Olivgrün und ein Top, das an ein Seeräuberhemd erinnert. Es ist bauchfrei, klar, und hat so ganz kurze Puffärmelchen, einen tiefen Ausschnitt und einen dicken Knoten über dem Nabel. An den Füßen baumeln sonnengelbe Flipflops.Mit ihren Wahnsinnszottellocken sieht sie aus wie die Piratenbraut persönlich. Wenn ich Flo wäre, würde ich mich sofort in sie verknallen. Aber ich bin nicht Flo. Ich bin Lene. Lene, die keinen Furz nach Piratenbraut aussieht, sondern eben nach … na, eben Lene. Sonst nix. Und Flo ist doch eigentlich
mein
bester Freund. Wieso stehe ich also hier oben am Badfenster rum und fange trotz Hochsommerwetter an zu frieren, anstatt da unten zwischen den beiden zu sitzen? Ich gebe dem Badezimmerhocker einen Tritt. Irgendwas muss ich jetzt tun.
Und ich weiß auch schon, was! Ich hole mir Papas altes Handy aus der Kommode im Schlafzimmer. Es ist ein Kartenhandy und es muss noch jede Menge Guthaben drauf sein. Das weiß ich, weil Mama neulich gesagt hat, dass man das mal abtelefonieren müsste. Na bitte, das könnt ihr haben! Ich speichere die Nummer auf meinem Handy unter »Raoul« ein. Dann schalte ich es aus und tippe auf Papas eine SMS an mich selbst.
Ich schlucke und will mir gerade die blöde Träne abwischen, die inzwischen doch über meine Wange gerollt ist. Aber ich lasse sie, wo sie ist, und gehe zurück in den Garten. Ganz kurz bevor ich durch die Terrassentür trete, schalte ich mein Handy wieder ein und schlendere in Richtung Hängematte.
Bingo! Perfektes Timing! Kaum bin ich in Hörweite der beiden, surrt es laut und vernehmlich. Ich mache nichts.
»Hey, Lene! Bist du taub? Ich glaube, du hast eine SMSgekriegt!«, ruft Teresa und ist mit einem Hops neben mir.
»Echt?«, sage ich und wische mir mit dem Handrücken die Träne weg. Die ist zwar schon angetrocknet, aber ich wette, man sieht sie noch.
»Tatsächlich!«, rufe ich ganz glücklich.
»Von Raoul?«, fragt Teresa aufgeregt. Ich nicke.
Mein geliebter Stern,
hast du meine Post nicht bekommen?
Ich warte sehnsüchtig auf Antwort.
Dein Raoul in Liebe
»Wow!«, macht Teresa. »Geht es dir jetzt wieder besser?«, fragt sie und legt mir den Arm um die Schulter. Ich nicke noch mal. Es geht mir tatsächlich besser. Und als Flo auch noch aus der Hängematte springt, mir freundschaftlich in die Seite boxt und »Wo warst’n so lange?« fragt, geht es mir tatsächlich wieder gut. Erst mal wenigstens.
Am Nachmittag fährt Flo mit seinen Eltern weg. Teresa und ich haben endlich mal wieder einen ganzen Nachmittag für uns. Den
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