Schussfahrt
dabei.
Halt , schrillte es in ihrem Kopf, die Polizei wird
weitersehen! Du, Fanni Rot, wirst das Ergebnis der Autopsie nicht erfahren!
Dich, Fanni Rot, geht das alles überhaupt nichts an!
»Schmeckt’s nicht?«
Fanni schreckte hoch. Hans Rot
nahm sich das Fleischstück von ihrem Teller und drehte sich wieder seiner
anderen Tischnachbarin zu.
Man sollte sich ausgiebig mit
der blonden Heide unterhalten, dachte Fanni, als sie die halbe Erdbeere, die
den Sahnepudding krönte, in den Mund steckte. Das Schälchen mit dem Rest ihres
Nachtisches tauschte sie gegen das bereits leere ihres Mannes aus.
Heide und Annabel haben an den
Wochenenden in der Falkenstein-Hütte Seite an Seite gearbeitet – samstags
bestimmt bis in die Nacht hinein. Heide müsste eine Menge über Annabel zu
erzählen haben.
Richtig, Miss Marple vom
Bayerwald! Und Heide wird sicher alles, was sie weiß, zum Besten geben – vor
der Polizei nämlich, falls die sich dafür interessiert. Halt du dich raus,
Fanni Rot! Du hast dir zu Hause in Erlenweiler schon genug Feinde gemacht;
vergangenes Jahr, als du mit Sprudel zusammen im Fall Mirza ermittelt hast.
Willst du jetzt im gesamten Nationalpark in Misskredit geraten, indem du wieder
alle möglichen Leute ausfragst, in ihren Privatangelegenheiten rumstocherst und
sie sogar verdächtigst – unbegründet verdächtigst?
Der Vorstand der Eisensteiner
Schützen klopfte an sein Glas. »Zum Abschluss unserer Jubiläumsfeier habe ich
die Ehre, den diesjährigen Schützenpokal unseren Kameraden aus Erlenweiler
überreichen zu dürfen. Und es ist mir eine besondere Freude, bekannt geben zu
können, dass der Pokal von einem der aufstrebendsten Glaskünstler aus unserem
Landkreis entworfen worden ist: Severin Ruckerbauer.«
»Severin Ruckerbauer«,
wiederholte Fanni verwirrt.
Der Name war heute schon einmal
gefallen – oben, auf dem Falkenstein. Severin, erinnerte sich Fanni, hatte
Annabel an diesem Morgen in seinem Wagen zur Schutzhütte gebracht.
Fanni spitzte die Ohren, als sie
ihr Tischgegenüber raunen hörte: »Die Freundin vom Severin soll tödlich
verunglückt sein – heut Mittag. Ein Grünzeug-Gendarm hat es dem Vorstand
erzählt.«
»Ist sie eine Eisensteinerin?«,
fragte sein Nachbar.
Der Angesprochene schüttelte den
Kopf. »Nein, die Annabel wohnt mit ihren Eltern in Zwiesel.«
»Annabel und Severin gehen
zusammen auf die Glasfachschule«, mischte sich eine Schützenfrau zwei Plätze
weiter links ein.
»Wie ist denn das Unglück
passiert?«, fragte jemand von rechts.
»Das Mädel könnte erschlagen
worden sein, meint der Grünzeug-Gendarm.«
Am Tisch breitete sich
entsetztes Schweigen aus.
»Wer?« Die Frage lag eine Zeit
lang in der Luft, bevor sie gestellt wurde.
Schulterzucken.
»Ich will ja nichts ausgestreut
haben«, sagte die Schützenfrau, »aber zwischen der Annabel und dem Severin soll
es ziemlich gewittert haben in der letzten Zeit.«
»Und deshalb soll er das Mädel
erschlagen haben?«, riefen aufgebrachte Stimmen ringsum. »Einfach so? Mir
nichts, dir nichts?«
Fanni bekam einen Stoß in die
Rippen.
»Wir fahren nach Hause«, sagte
Hans Rot. »Ich muss morgen früh raus. Ich kann mich nicht den halben Vormittag
aufs Ohr legen so wie meine Frau.«
Manchmal könnte man schon
einfach so, mir nichts, dir nichts jemanden erschlagen, dachte Fanni.
Lust auf mehr?
Diesen und viele weitere Krimis finden Sie auf unserer Homepage unter
www.emons-verlag.de
Weitere Kostenlose Bücher