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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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durchgekommen. Sie war – und das zog sich durch ihr gesamtes Leben – eine
Meisterin im Dilettieren. Jo traute sich oft Dinge zu, von denen sie eigentlich
besser die Finger gelassen hätte. Der wortgewaltig errungene Doktortitel
gehörte dazu. Für die Stellensuche allerdings war der Titel von Vorteil
gewesen. Sie hatte unter fünfzig Bewerbern und Bewerberinnen den Zuschlag als
Geschäftsführerin des neu gegründeten Fremdenverkehrsverbands »Immenstädter
Oberland« bekommen.
    Zenta durchbrach das
Schweigen. »Des isch ja kähl. Do hend Sie gar kuin richtiger Doktr, bloß so an Soz-Dingsda. Aber eigentlich isch
des ja drohlet wie bohlet. Gstudiert sind dir!«
    Jo lächelte Zenta
freundlich an. Recht hatte sie, das war wirklich gehüpft wie gesprungen. Ihr
war der Doktor sowieso nicht wichtig. Gerhard unterdrückte immer noch einen
Lachanfall, Markus Holzapfel war mit bebenden Schultern zu Zenta an den
Spülstein getreten und verkniff sich jeden Blick auf Volker Reiber.
    Reiber selbst
schluckte. »Aha, also Frau Doktor. Dann sind Sie ja so etwas wie eine lokale –
äh – Instanz und kennen wohl auch den Toten?«
    Jo straffte die
Schultern. »Sie werden kaum jemanden finden, der ihn nicht kennt. Hans Joachim
Rümmele ist …«, sie unterbrach sich, »Herr Rümmele war ein bekannter
Bauunternehmer. Er war in diversen Ausschüssen und im Gemeinderat tätig.«
    »Verheiratet?«,
wollte Reiber wissen.
    »Ja, mit Frau Denise
Rümmele.«
    »Wohnhaft? Nun
lassen Sie sich doch nicht jede Information aus der Nase ziehen, Frau Doktor.«
Reibers Ton war unangenehm.
    Jo schluckte, und
Gerhard antwortete an ihrer Stelle sehr kühl: »Die Rümmeles wohnen in Oberdorf
am Niedersonthofner See, ich kenne die Adresse.«
    Volker Reiber wies
Gerhard an, ihn zu Frau Rümmele zu chauffieren. Zu Jo gewandt raunzte er: »Und
Sie halten sich zur Verfügung!«
    »Auweh.« Der
Anwander durchbrach das Schweigen, denn sie alle schauten starr zur Tür,
nachdem Volker Reiber und Gerhard verschwunden waren. Nur noch der Duft von
»Obsession« hing in der Luft. Gerhards Kollege Markus, dessen niederer
Dienstgrad für Volker Reiber wohl eine Beleidigung war und der einfach
zurückgelassen worden war, sinnierte:
    »Die erste
Einschätzung des Arztes zur Todeszeit lautete fünf Uhr abends bis etwa acht Uhr
abends. Aber so im Schnee, bei der Kälte …? Das kann auch später gewesen sein.«
Er sah Jo eindringlich an.
    »Du glaubst doch
nicht, dass ich jemanden umbringe!« Jo war erschüttert.
    »Ich glaube gar nix,
aber für den schlauen Kollegen aus Augsburg ist offensichtlich, dass du nicht
zu Rümmeles Bewunderern gehörst! Und außerdem wird Frau Rümmele dem Reiber die
Szene am Sonntag im Gasthof Krone in Stein bestimmt in allen Farben schildern,
vor allem den Auftritt von Peter Rascher. Du warst da, ich war da, das halbe
Allgäu war da, und wir alle wissen, was passiert ist, als Rümmele ging.«

3.
    Jo hätte gern
Markus’ Fähigkeit zur Lakonik besessen. Ihr krampfte sich immer noch der Magen
zusammen, wenn sie an gestern dachte. Rümmele war aus dem Saal im Gasthof Krone
in Stein gerauscht. Mit ihm waren seine Gefolgsleute hinausgepoltert, bestehend
aus seinem PR -Referenten und einem
amerikanischen Planer, den Rümmele nur den »Visionär« nannte. Mit von der
Partie war eine Assistentin im Britney-Spears-Look gewesen, Rümmeles Gattin
Denise und einige Allgäuer Hoteliers. Und hinter diesem Tross war Peter Rascher
hergelaufen. Er war nach vorne gestürmt, hatte Rümmele in der Tür erregt
herumgerissen und gebrüllt: »Wenn du das tust, Rümmele, dann wirst du deines
Lebens nicht mehr froh, und dein Disney-Abklatsch, der fliegt in die Luft!«
    Die Sitzung war
eindeutig eskaliert und das schon in einem so frühen Stadium der Planung.
Eigentlich hatte man bei einem Weißwurst-Frühstück gegen halb zwölf Uhr ganz
entspannt einer ersten Präsentation des Event Castle lauschen und dann in einer
Podiumsdiskussion das Für und Wider abwägen wollen. Bis alle ihre Plätze
eingenommen und ein wenig geplaudert hatten, war es ein Uhr geworden. Friedlich
bis dahin, die Ruhe vor dem Sturm.
    Das Castle war
Rümmeles Baby – ein abstruser Plan, fand Jo, aber gerade deshalb so gefährlich.
Jo moderierte, kam kaum über die einleitenden Worte hinaus, weil HJ seinen amerikanischen »Visionär« ins
Spiel brachte. Dieser begann auszuführen: »Hello Allgäu« – er sprach das aus
wie ›Olgei‹ – »Spielberg wird bald staunen. Das Olgei Event

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