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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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Castle katapultiert
euch in die Zukunft.« Er tippte sich an den Cowboyhut, und Rümmele klatschte
frenetisch.
    Nun kam Britney zum
Zug. Sie lächelte wie eine Verkäuferin im Shopping- TV , schob den gepiercten Bauchnabel ins Publikum und zappte
eine todschicke Videopräsentation zusammen, die der Pressesprecher der
Rümmele-Bau erläuterte. Das Event Castle sollte ein Erlebnisschloss direkt am
Alpsee werden, eine Pazifik-Badelandschaft, eine bunte Welt der Düsen und
Speedkanäle. Dazu Play Stations und High-Tech-Spiele, virtuelle Wanderungen,
Höhlenbegehungen, Mountainbiketouren. Alles sauber, antiseptisch, klimatisiert,
kunstlichtbeleuchtet.
    An den Hang
unterhalb von Zaumberg wollte Rümmele zudem ein »Step o’ Mountain« bauen.
Britney war jetzt dazu übergegangen, ihre Präsentation mit ausholenden
Handbewegungen zu untermalen, was ihr knappes Top unanständig weit hoch
rutschen ließ. Dazu schwadronierte nun der Visionär weiter: »Frisch zu Berge
mit der technologisierten Stahlbetontreppe mit ungefähr siebentausend Stufen.
That’s it, Olgei! Die Unterkonstruktion wird, gestützt durch filigrane
Stahlprofile, dem Geländeverlauf folgend aufgebaut. Trainer begleiten selbst
ungeübte Mountain-Stepper – der Berg 3000 gehört dem Convenience-Kletterer!«
    Convenience-Kletterer,
Jo würgte an diesem Begriff.
    Das alles wollten
Rümmele und sein Visionär in das Umfeld eines künstlichen Schlosses
verpflanzen, dem King Lui vorstehen sollte. King Lui würde Paraden abnehmen und
Gäste begrüßen.
    »Lui ist in Adaption
des Märchenkönigs eine positiv konnotierte Person, die in royaler Ambiance die
Historie involviert und so Empathie hervorbringt«, fiel nun gerade Rümmeles
Pressesprecher wieder ein.
    Einigen der
Hoteliers stand der Mund offen. Jo wusste, dass sie kein Wort verstanden
hatten, aber beeindruckt waren. Wie sie das hasste! Die Blender, die
profilneurotischen PR -Strategen,
hatten noch immer ein leichtes Spiel. Fremdwörter, Flip-Charts, technisches
Blendwerk, blonde Staffage mit langen Beinen, und die Hoteliers lagen ihnen
voller Ehrfurcht zu Füßen.
    Sie sandte einen
flehenden Blick zu Peter Rascher, dem Sprecher des Arbeitskreises Umwelt der
lokalen Agenda-21-Gruppe, der mit ihr auf dem Podium saß. Sein Rauschebart
wehte, als er aufsprang:
    »Disney kann so was
machen – wir nicht! Schaut euch doch um, wir haben einen echten See und echte
Berge. Mit diesem Bau unterm Hotel Rothenfels verschandelt ihr den schönsten
Ausblick auf den See, und dann noch diese Himmelstreppe! Was ist das für ein
Himmel? Body-Kult für die Fit-for-Fun-Generation! Eitle Egoisten, die
unterhalten werden wollen! Sollen die doch echte Berge besteigen, in unserem
echten See baden. Bühl, ein uriger, kleiner Badeort, wird mit einem Großparkplatz
zubetoniert. Das ist krank! Wir haben einzigartige Feucht-Biotope um den See,
wir haben das Eckartser Moos. Das ist unsere Erlebniswelt, nicht die leere
Hülle eines Schlosses, das nicht mal einen konzeptionellen Bezug zu seinem
Innenleben hat.«
    Aus einigen Ecken
klopfte man zustimmend auf die Tische, und dann stand Rümmele auf.
    »Peter Rascher«, er
ließ den Namen im Raum verklingen, »unser ökologisches Gewissen. Ein
Biologielehrer, der am Fellhorn die ersten Schneekanonen verhindern wollte, und
heute hat jeder Skiort eine. Anders hätte der Wintersport gar nicht überlebt.
Ist so jemand eine Instanz? Schaut ihn euch an, unseren Quoten-Öko. Nichts
gegen eine Bio-Wanderung mit Schülern durchs Moos. Sollen sie was lernen, die
lieben Kleinen. Aber unsere Gäste, die wollen Action, Events,
Erlebnisgastronomie. Ihr redet doch immer von der Überalterung im Tourismus.
Rascher, bleib in deiner Schule.«
    Der Saal raste, die
einen tobten vor Begeisterung, die anderen vor Wut. Jo schrie ins Mikro: »Ruhe
verdammt, Ruhe alle!« Der Lärm flaute ab.
    Jo versuchte ihr
Bestes. »Nun benehmen wir uns doch wie erwachsene Menschen. Natürlich müssen
wir darüber nachdenken, wie wir die Region auch für den jungen Gast attraktiv
machen können, aber ich halte nichts von so einem Kunstprodukt. Die Städter
wollen und brauchen echtes Naturerleben. Und wenn ich Ihnen, Herr Rümmele, auch
zustimme, dass Zwölf- bis Fünfzehnjährige von Blumenwanderungen nichts halten,
so gibt es immer noch andere Wege. Lasst sie beispielsweise eine Inline-Skater-Schnitzeljagd
machen oder Indianercamps mit Trekkingreiten, das sind Erlebnisse, die sie zu
Hause nicht haben. In der Schweiz sind Anbieter

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