Schussfahrt
ein
winziges Detail. Genau, Herr Maurer. Wie komme ich bloß auf den Gedanken, dass
es von Wichtigkeit ist, dass Sie Herrn Rümmele getroffen haben? Etwa eine
Stunde vor seinem Tod. In einem elenden flockendurchwirbelten Schneeloch kurz
vor der Dunkelheit.« Volker hatte sich auf die Hände gestützt, sich bedrohlich
über den Tisch gelehnt und schickte Blitze aus funkelnden Augen und verbalen
Donner über den unglücklichen Marcel.
Er tobte: »Es reicht
mir jetzt, Herr Maurer! Ihre Portiönchen-Politik können Sie als
Fortsetzungsserie in Ihrer Zeitung verwenden. Ich will jetzt eine stringente
Geschichte hören. Augenblicklich. Fakten, Fakten, Fakten! Das kennen Sie doch!«
Marcels Auge zuckte
weiter, er zupfte an seinen Fingernägeln herum. »Ich weiß, es klingt jetzt
komisch …«
»So etwas Ähnliches
habe ich von Ihnen im Zusammenhang mit Ihrer Sterngucker-Romantik schon mal
gehört«, sagte Volker.
»Ja, ich weiß.«
Marcel klang sehr kläglich. »Es stimmt alles. Ich war in der Sennerei, ich
wollte wirklich eine Runde spazieren gehen, und zuvor habe ich einige Dinge
aufs Diktaphon gesprochen. Ich war fast fertig, da hielt ein Auto neben mir. Es
war Herr Rümmele. Er war in voller Skimontur. Er kennt mein Auto und hat es
wohl dort stehen sehen. Jedenfalls klopfte er ans Fenster, grinste mir ins
Gesicht und meinte, ich müsse mich sehr warm anziehen, wenn ich es mit ihm
aufnehmen wollte. Ich bin ausgestiegen. Das Gespräch ging hin und her. Er hat
mich provoziert. Er wurde lauter. Ich wurde lauter. Nach einigen Minuten sah er
auf die Uhr und sagte, mit so einem Lokalschlumpf wie mir würde er gar nicht
reden, zumal er jetzt ein Rennen zu fahren habe. Er stieg in sein Fahrzeug und
fuhr taleinwärts. Ich war ziemlich verblüfft, denn ich dachte natürlich, er
käme bereits vom Skifahren. Aber doch nicht daran, dass er noch Ski fahren
wollte.«
Volker hatte
begonnen, im Zimmer auf und ab zu gehen. Er warf sich herum und brüllte: »Zwei
Fragen: Wo waren Sie nach dem Gespräch? Und was für ein Rennen? Ich habe ja
schon was von Flutlicht-Skifahren gehört, aber nichts von Nachtrennen in so
einem eiskalten Tal, wo sich nicht mal mehr Fuchs und Hase gute Nacht sagen,
sondern lieber in ihren kuschelig warmen Höhlen bleiben.«
Marcel saß mit nach
vorne geklappten Schultern da. »Ich war sehr aufgewühlt und bin wirklich noch
ein Stück an der Piste entlang gegangen. Dann bin ich weggefahren. Ich habe
auch noch länger über das Rennen nachgedacht. Ich habe keine Ahnung, was
Rümmele damit gemeint hat.«
»Ich auch nicht,
aber es könnte jemanden geben, der Ahnung hat.«
Wie elektrisiert
rissen die Männer die Köpfe herum. Da stand Patrizia Lohmeier. Sie sah aus wie
eine Rachegöttin. Sie baute sich vor Reiber auf. »Sie treiben mich zur
Weißglut. Wir helfen Ihnen, so gut wir können …«
»Indem Ihr
Lebensgefährte mich belügt? Ich bitte Sie, Frau Lohmeier!«
»Er hatte Angst,
verständlich, oder? So, wie Sie hier wüten! Ich hätte Ihnen auch nicht erzählt,
dass ich ein Mordopfer kurz vor der Tat noch gesehen habe. Aber jetzt sage ich
Ihnen mal was: Jo, also Frau Kennerknecht, hat mich am Mittwoch letzter Woche
gebeten, alle Skirennen zu checken, die am Sonntag des Mordes stattgefunden
haben. Und sie war sehr enttäuscht, dass ich ihr anscheinend nichts Erhellendes
bieten konnte. Donnerstagnacht fährt sie mit Gerhard Weinzirl weg, keine
Ahnung, wohin. Nun zählen Sie mal eins und eins zusammen. Die beiden wissen
etwas. Und das hat mit einem Skirennen zu tun. Aber wohl kaum damit, dass Marcel
leider zur falschen Zeit am falschen Ort war.« Patrizias Wangen waren gerötet.
Marcel starrte seine
Freundin sprachlos an, so, als sähe er sie heute zum ersten Mal.
In Volkers Hirn
schlugen die Gedanken Haken: Moritz und sein Skidoo, ein Rümmele in Skibekleidung,
ein Rennen. Es musste noch jemand am Berg gewesen sein!
Seine Stimme bebte
vor Anspannung: »Sie meinen also, Herr Weinzirl und Frau Kennerknecht wissen,
mit wem Herr Rümmele ein Rennen gefahren ist? Wieso eigentlich nicht mit Ihnen,
mein lieber Herr Maurer?« Er wandte sich wieder Marcel zu.
Marcel hatte sich
gefangen und lachte bitter. »Weil ich wahrlich nur sehr leidlich Ski fahre.
Sehr leidlich kriege ich Bögen hin. Und die sehen ganz schön altmodisch aus –
von Carving auf der Kante keine Spur, was Jo übrigens ebenfalls sehr bemängelt
hat. Und im Tiefschnee wäre ich erst recht keinen Meter weit gekommen, das ist
was für
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