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Schussfahrt

Schussfahrt

Titel: Schussfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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durchlief ihren Körper, dann begann sie zu frösteln.
    Sie sah sich um,
allmählich kehrte das Denken zurück. Der Knall war real gewesen. Sie lag auf
dem modrigen Waldboden und spürte auf einmal die Feuchtigkeit, die in sie
hineinkroch. Ihre geschundenen Muskeln verkrampften sich. Falco, um Gottes
willen, wo war Falco? Sie rief, ihre Stimme klang so merkwürdig. Ein wenig
erholte sie sich. Sie zog sich an einem Baum hoch, grub die Nägel in die Rinde.
Das Knie schmerzte, der Kopf auch, über dem Auge pochte es. Sie schaffte es aus
dem Dickicht, sachte, ganz sachte. Da war die Lichtung!
    Und da stand auch
Falco, friedlich grasend. Sie schleppte sich zu ihm hin und stöhnte. Falco
schnoberte freundlich in ihren Taschen. Er schien wenig beunruhigt zu sein. Er
knabberte an ihrem Jackenärmel: Wo warst du, kommst du endlich?
    Jo dankte im Geiste
dafür, dass dieses Tier so verfressen war, ein Warmblüter wäre nach Hause
gestürmt und vielleicht in ein Auto gelaufen. Ein Pony tat so etwas
Dramatisches nie, solange es irgendwo etwas zu essen gab. Pferde, die Menschen
retteten, gab’s nur im Film. Dass das treue Pferd die Helfer zum Frauchen
führt, entspringt lediglich dem weiblichen Dick-und-Dalli-Syndrom, dachte Jo.
    So aber blieb ihr
nur, sich an Falcos Sattel abzustützen und langsam in Richtung Forstweg zu
hinken. Wenn nur der Kopf nicht so weh getan hätte. Falco lief wie auf rohen
Eiern, er merkte, dass etwas nicht stimmte. Plötzlich blieb er ruckartig
stehen. Rufe erschallten, da bogen einige Leute um die Kurve. Sie riefen: »Jo!«
    Warum eigentlich?
dachte sie noch, bevor ihr die Füße wegklappten.

19.
    Volkers Montag hatte
ruhig begonnen. Er war mal wieder vor allen anderen im Büro und hatte
Gelegenheit, durch die offene Tür die ankommenden Kollegen zu beobachten.
Gerhard Weinzirl sah aus, als hätte er sich beim Rasieren selbst verstümmelt,
und wirkte, als wäre er in den Fleischwolf geraten. Volker musste grinsen. Er
hatte in Gerhards Büro am Waschtisch einen martialischen Rasierhobel stehen
sehen. Gerhard schien solch praktische Dinge mit Historie zu lieben. Dazu
verwendete Gerhard das Original Pitralon, das sich augenscheinlich hinein bis
in tiefste Hautschichten brannte. Vielleicht sollte der Kollege das Zeug besser
als Türschloss-Enteiser verwenden?
    Einige Minuten später
traf Volker Gerhard auf dem Gang. Er hatte nun einen Walkman auf den Ohren.
Volker schüttelte den Kopf. Das war doch kein Freizeitpark hier. Er trat auf
Gerhard zu und musste einmal mehr feststellen, dass er sich neben ihm immer
overdressed fühlte. Dabei hatte er sich extra in Jeans und ein Jeanshemd
begeben – beides von Armani –, und zusätzlich hatte er sich klobige
Dockers-Treter zugelegt. Neben Gerhards verwaschener Jeans und dessen
Antik-Bergschuhen wirkte er trotzdem wieder wie aus dem Modejournal.
    »Was hören Sie denn
da?«, wollte Volker wissen.
    Wortlos reichte
Gerhard ihm die Kopfhörer. Boomtown Rats, »I don’t like Mondays«!
    »Passend, damit
können Sie bestimmt das ganze Gebäude beschallen. Ich mag auch keine Montage.«
    Gerhard verzog sein
rasurgepeinigtes Gesicht und schien wieder einmal verwirrt zu sein, wie er
diesen Satz von Volker auffassen sollte. Annäherung oder Provokation?
    Volker fuhr fort: »Nun denn, Besprechung ist wie immer um acht Uhr dreißig. Da ist was im Busch.
Frau Straßgütl hat uns Neues zu berichten.«
    Gerhard nickte, nahm
seinen Walkman und trabte den Gang hinunter. Volker sah ihm nach.
    Wenig später saßen
sie alle auf ihren harten Stühlen im Besprechungszimmer. Markus Holzapfel stand
vor einer Landkarte des Allgäus und hob an:
    »Herr Reiber,
Gerhard. Wir haben uns gestern also noch mal auf den Weg gemacht und sind ins
Tal gefahren. Und da haben wir unseren Augenblick, äh, unser Augenmerk, auf die
Häuser nahe am Parkplatz gerichtet. Und da ist also gleich das erste Haus, das,
wo auch Ferienwohnungen vermietet. Also, äh, die Besitzerin, die, wo auch
vermietet, hat geöffnet. Sie war bis gestern in Urlaub und war deshalb bei
unseren ersten Befragungen also nie anwesend, hat also …«
    Volker stöhnte und
nickte Evi Straßgütl zu, die sofort das Ruder übernahm. »Die Dame war bisher
abwesend, konnte sich aber erinnern, dass am Mordtag ein gelber Punto auf dem
Parkplatz stand. Sie sah einen Mann drin sitzen, die Innenraumbeleuchtung war
an. Moment«, sie zog ein Papier hervor, »ich zitiere: ›Ich war etwas
beunruhigt, weil da einer vor meinem Haus hockte, und

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