Schusslinie
könnte
ein Ansatzpunkt sein, schließlich liefen, soweit er wusste, seit Monaten Ermittlungen
und Verfahren gegen solche Einrichtungen. Von einer Wettmafia war die Rede gewesen
– irgendwo aus dem früheren Ostblock.
Ausgerechnet dort aber, so ließ Riegert das
gestrige Gespräch mit Beierlein in Gedanken Revue passieren, ausgerechnet in der
Slowakei baute dieser Nullenbruch einen Betrieb auf. Nein, das musste nichts bedeuten,
denn jeder Unternehmer, der steuerflüchtig war oder billige Arbeitskräfte suchte,
verlagerte in diesen Zeiten seinen Betrieb ostwärts.
Riegerts Blick hing an der trostlos grauen
Albkante, während er mit sich kämpfte, ob er seine früheren Kollegen der Göppinger
Kripo aufsuchen oder lieber selbst recherchieren sollte. Er entschied, eigene Nachforschungen
anzustellen, sozusagen getarnt als Politiker. Vielleicht wurde ihm auf diese Weise
weniger Skepsis entgegengebracht, als wenn ein Kommissar aufträte. Jetzt musste
er sich aber zuerst um die Parteibasis kümmern.
»Unglaublich, was die Welt bewegt«, stellte Kommissar Häberle am Montagvormittag
in den Räumen der Sonderkommission fest. »Seitenweise Kuranyi«, deutete er auf den
Sportteil der Tageszeitung. »Der VfB soll ihn doch ziehen lassen.« Die jüngeren
Kollegen schwiegen und brachten damit zum Ausdruck, dass sie ganz anderer Ansicht
waren als Häberle, dessen Interesse an Bundesliga-Fußball, das wusste man, sich
in engen Grenzen hielt. Er lehnte sich an den Türrahmen und dozierte weiter: »Die
denken nur an die Knete. Kein Einziger identifiziert sich noch mit dem Verein. Heute
VfB, morgen Schalke, übermorgen Inter Mailand. Lokalpatriotismus haben nur die Fans,
die treu und brav ihren Eintritt bezahlen.«
Ein älterer Kollege pflichtete ihm bei. »Ich
kenn derzeit im Fußball nur einen Einzigen, der voll Überzeugung hinter seiner Arbeit
steht und sein gestecktes Ziel beharrlich verfolgt.« Der Kriminalist machte eine
Pause und wartete auf Zustimmung. Tatsächlich meldete sich Linkohr zu Wort. Der
junge Kollege, der als absoluter Fußballbanause galt und nur noch von seiner Freundin
Juliane schwärmte, wusste, wer gemeint war: »Klinsmann.«
»So seh ich’s auch«, brummte Häberle und fügte
grinsend hinzu: »Und wir – wir verfolgen doch auch seit einer Woche beharrlich unser
Ziel. Auch wenn uns der große Durchbruch noch nicht gelungen ist.« Er blickte zu
der großen Schiefertafel, auf der mit weißer Kreide Namen und Telefonnummern vermerkt
waren. Ein gutes Dutzend Kriminalisten lehnte an den Wänden und lauschte gespannt
seinen Ausführungen. »Wir kennen inzwischen eine ganze Menge Namen«, stellte Häberle
fest, »doch, wie das alles zusammenpasst, ist mir vorläufig noch ein Rätsel. Wir
haben aber zumindest einen konkreten Ansatzpunkt – und zwar diese Frauenstimme,
die sich an Lanskis verschwundenem Handy gemeldet hat. Dieser …« Er wandte sich
an Linkohr, der irritiert aufblickte, weil er dem Gespräch nicht gefolgt war. »Wie
heißt dieser Mensch, der von der Slowakei aus Lanski anrufen wollte?«
Linkohr stutzte, doch dann fiel ihm der Name
ein: »Striebel, dieser Ölhändler aus Aichelberg.«
»Genau«, bestätigte Häberle, »Striebel. Der
hat angerufen und dann hat sich eine Frauenstimme gemeldet – und diese Frau war
mit dem Handy des toten Lanski zu diesem Zeitpunkt am südwestlichen Göppinger Stadtrand.
Das ist sicher. Wir suchen dort also eine Frau, die Lanskis Handy hatte.« Häberle
nahm eine Rad- und Wanderkarte des Landkreises Göppingen zur Hand. Er deutete auf
das in Frage kommende Areal. »Dort«, machte er weiter, »dort wohnen oder arbeiten
einige der Personen, die wir bereits kennen. Hier … « Er deutete auf das Gewerbegebiet ›Voralb‹, »hier ist die Firma
von diesem Nullenbruch.« Die Kollegen kamen jetzt an den Tisch, um sich selbst die
Situation vor Augen zu führen. »Und irgendwo in diesem Bereich zwischen Alb und
der Stadt Göppingen hat sich das Handy von Lanski eingeloggt.«
Linkohr, der sich von dem Computer abgewandt
hatte und ebenfalls näher gekommen war, hakte ein: »Dort kennen wir inzwischen einige
Frauen, die wir näher unter die Lupe nehmen sollten.«
»Genau«, griff Häberle den Hinweis auf, »wir
kennen diese, diese Frau Siller …«
»Ute«, ergänzte Linkohr.
»Genau«, zeigte er sich dankbar, »außerdem
dieses arme Mädchen, das in ihrem Vorzimmer sitzt und ihr hilflos ausgeliefert ist,
weil diese Siller ihr Vorleben kennt und sie rausschmeißen
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