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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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für dieses Projekt verantwortlich ist …« Häberle wandte sich Hilfe suchend an Linkohr,
der sofort erkannte, welcher Name seinem Chef gerade nicht einfiel. »Meckenbach,
glaub ich, heißt er«, sagte der junge Kriminalist.
    »Noch was, Chef«, machte er sich bemerkbar,
»ein Anruf aus Berlin.«
    Häberle drehte sich auf dem Flur um und sah
seinen jungen Kollegen erstaunt an. »Ja, aus Berlin. Ich hab Ihnen die Nummer auf
den Schreibtisch gelegt. Irgendso ein Ministerialfuzzi, glaub ich. Aus dem Wirtschaftsministerium.
Er will Sie dringend sprechen.«

35
     
    Anna war an diesem unwirtlichen Juninachmittag von ihrer Vorgesetzten
Ute Siller wieder mal heftig drangsaliert worden. Zwei Dutzend Briefe hatte sie
zum wiederholten Mal abtippen und ausdrucken müssen, nachdem sie ihr zerknüllt vor
den Schreibtisch geworfen worden waren. Anna spürte, wie sich in ihr von Tag zu
Tag mehr Hass gegen diese autoritäre Frau aufstaute, die offenbar glaubte, sie mit
ihrem Wissen über ihre Vergangenheit in der Hand zu haben. Eigentlich aber hatte
sie es gar nicht mehr nötig, bei Nullenbruch zu arbeiten. Schon gar nicht unter
diesen Bedingungen, dachte Anna, als sie durchs Treppenhaus zu ihrer Zweizimmerwohnung
im vierten Obergeschoss hinaufstieg. Allerdings musste sie vorsichtig sein, denn
wenn sich in diesem Gebäudekomplex herumsprechen sollte, dass sie regen Männerbesuch
hatte, könnte es Probleme geben. Da sie aber nur gut situierte Herren empfing, war
ihre lukrative Nebenbeschäftigung noch niemandem aufgefallen.
    Sie musste sich beeilen, denn für 18 Uhr hatte
sich bereits der erste Kunde angekündigt. Wieder einer aus Nullenbruchs persönlichem
Umfeld. Dies bedeutete, dass der Chef bezahlte. Sie war sozusagen das individuelle
Geschenk für Geschäftspartner, die für gute Aufträge bei ›Nubru‹ sorgten. Anna war
sich dieser Aufgabe voll bewusst, schließlich konnte sie auf diese Weise davon ausgehen,
dass ihr Nebenverdienst weiterhin sprudelte und sie nicht mit niveaulosen Sexabenteurern
konfrontiert wurde.
    Sie schloss die Wohnungstür auf, stellte ihre
Handtasche in dem rot getünchten Flur auf ein Sideboard und warf die Post, die sie
am Haupteingang aus dem Briefkasten genommen hatte, auf die Küchentheke. Dann ein
prüfender Blick zur Couch. Alles ordentlich. Die Spuren der vergangenen Nacht hatte
sie noch vor der Arbeit beseitigt. Sie legte allergrößten Wert auf ein gepflegtes
Ambiente. Nebenan in ihrem kleinen Schlafzimmer zog sie sich aus, stieg dann in
die winzige Duschkabine und genoss das heiße Wasser, das über ihre weiße Haut rann.
    Ein paar Minuten später trocknete sie sich
ab und besah sich dabei im Spiegel des Badeschränkchens. Sie fühlte sich gut und
war mit ihrem Körper zufrieden. Mit ihm konnte sie mehr verdienen, als mit der Schinderei
in Ute Sillers Vorzimmer. Wenn jedoch Nullenbruch etwas zugestoßen war, so hämmerten
ihre Gedanken, dann würde es mit dieser Art des Geldverdienens bald vorbei sein.
Nicht im Ernst konnte sie darauf hoffen, dass ihr ihre Chefin derartige Kundschaft
zuführen würde.
    Anna cremte sich ein, umgab sich mit einer
Wolke herben Parfüms und eilte ins Schlafzimmer zurück. Dort schlüpfte sie in ihre
Arbeitskleidung, wie sie insgeheim ihre kurzen Röcke und die tief ausgeschnittenen
Tops bezeichnete. Dazu gehörten natürlich hochhakige Schuhe, von denen sie ein halbes
Dutzend besaß.
    Sie besah sich im Spiegel des Kleiderschranks
von allen Seiten und war zufrieden. Der schwarze Faltenrock kontrastierte zu der
weißen Haut ihrer Schenkel. Und das enge Oberteil brachte die weiblichen Formen
aufreizend zur Geltung. Der Kunde würde begeistert sein.
    Aus einem Küchenoberschrank holte sie zwei
Sektgläser, stellte sie auf den gläsernen Wohnzimmertisch und prüfte, ob im Kühlschrank
ein Sekt kalt gestellt war. Dann ließ sie den Rollladen über die Hälfte herab, entzündete
ein Räucherstäbchen und legte eine CD mit Instrumentaltiteln der Bee Gees auf.
    Es war zehn vor sechs, als sie erneut in ihr
Schlafzimmer ging, um aus dem Kleiderschrank ein Notizbuch zu nehmen, das zwischen
der Bettwäsche versteckt war. Darin hatte sie fein säuberlich und alphabetisch aufgelistet,
die Namen ihrer Kunden notiert, ihre Vorlieben festgehalten und sogar markante Aussehensmerkmale
aufgeschrieben. Sie versuchte, sich diesen Pfisterer vorzustellen, der erst zweimal
da gewesen war. Zuletzt vor über zwei Monaten, stellte sie fest. ›Älter, weiße Haare‹,
hatte sie notiert,

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