Schusslinie
froh darüber zu sein. »Dieser Security-Dienst,
von dem Sie gesprochen haben …«,
knüpfte der Kommissar an das Gespräch in dem Firmenneubau an, »haben Sie eine Adresse
oder eine Telefonnummer?«
Während das Taxi wieder stadteinwärts raste
und, vorbei am hell beleuchteten Bahnhof, mit quietschenden Reifen rechts abbog,
war Meckenbach über diese Frage verwundert. »Sie denken doch nicht, dass die …?« Er schüttelte verständnislos den Kopf,
»nein, das dürfen Sie nicht denken. Aber ich kann Ihnen die Telefonnummer nachher
aus dem Telefonbuch raussuchen. ›Košice-Security‹ nennen die sich.«
An der Rezeption ließen sich die beiden Deutschen
von einer jungen Dame dann das Telefonbuch geben, aus dem sich Häberle die gesuchte
Nummer notierte. Im Flur der vierten Etage verabredeten sich die beiden Männer für
den morgigen Nachmittag. Häberle wollte den Kollegen der Kriminalpolizei allein
treffen. »Ich ruf Sie an, wenn ich fertig bin«, erklärte er und zog sich in sein
Zimmer zurück.
Dort rief er über das Kabeltelefon seine Frau
Susanne an, die wieder einmal ein schönes Sommerwochenende allein würde verbringen
müssen. Von ihr erfuhr er, dass Kanzler Schröder im Bundestag die Vertrauensfrage
wie geplant verloren hatte, es also aller Voraussicht nach die für September bereits
vorgesehenen Neuwahlen geben würde. Jetzt müsse aber noch der Bundespräsident prüfen,
ob alles mit rechten Dingen zugegangen sei. »Käsperles-Theater«, kommentierte Häberle
missmutig, »nichts als Show.« Er beschloss, die Disco aufzusuchen, duschte und schlüpfte
in eine weiße Cordhose und ein weißes Hemd und verließ kurz vor halb elf das Zimmer.
Insgeheim hoffte er, dass nicht auch Meckenbach auf diese Idee gekommen war.
Er fuhr mit dem Lift zunächst ins Erdgeschoss,
wo sich an der Rezeption die Dame von vorhin mit einem Computer abmühte. »Ich wollte
hier einen Freund treffen, aber möglicherweise habe ich den falschen Termin aufgeschrieben.
Können Sie feststellen, ob er die letzten Tage hier war?«, fragte er liebenswürdig.
»Wie heißt er denn?«
»Nullenbruch. Matthias Nullenbruch.« Nachdem
sie einige Zeilen gelesen hatte, murmelte sie: »Ach, ich sehe … Herr Nullenbruch war gebucht«, dann wandte
sie sich Häberle zu, »für die Nacht vom 31. Mai auf 1. Juni.«
Häberle verzog theatralisch das Gesicht, als
sei er darüber sehr verwundert. »Er war gebucht?«, hakte er nach, »war er denn auch
da?«
Die Frau blickte angestrengt auf ihren Bildschirm.
»Nein, er ist nicht gekommen – hat sich auch nicht abgemeldet.«
»Ach …«, machte Häberle. Er griff in die Hosentasche, wo er für solche Gefälligkeiten
Kleingeld bereithielt, und legte ihr ein paar Kronen auf den Tresen. Dann entfernte
er sich lächelnd zum Aufzug und fuhr ins Untergeschoss. Beim Verlassen des Lifts
schlug ihm dröhnende Musik entgegen. Die Nachtbar war verraucht und dunkel, Laserlicht
zuckte, bunte Strahler flackerten. Häberle blieb an der breiten offenen Glastür
stehen, um Augen und Ohren an dieses Inferno aus Lärm und optischen Reizen zu gewöhnen.
Auf der Tanzfläche herrschte drangvolle Enge, die Polstergruppen drumrum schienen
alle belegt zu sein. Der Kriminalist erspähte an der langen Theke einige freie Barhocker
und steuerte auf sie zu. Mit Erleichterung stellte er fest, dass sich hier nicht
nur jugendliches Publikum aufhielt, sondern offenbar auch ältere Semester, die in
der Einsamkeit des Hotels ein bisschen Abwechslung suchten. Er ließ sich am äußersten
Ende der Theke nieder, lächelte dem Barkeeper zu und bestellte ein Bier. Dann drehte
er sich seitlich, sodass er mit dem breiten Rücken gegen die Thekenkante lehnen
und das Geschehen auf der Tanzfläche verfolgen konnte. Seine Gedanken drehten sich
um Nullenbruch. Wenn er sich recht entsann, dann war der 1. Juni ein Mittwoch gewesen.
Am Vortag hatten sie frühmorgens Lanski tot am Bahndamm aufgefunden. Das war auch
jener Tag gewesen, an dem diese beiden Kapitalanleger, der Striebel und der Kromer,
in Košice gewesen waren und Nullenbruch zu seiner plötzlichen Reise in die Slowakei
veranlasst hatten. Und der hatte in der Nacht zum 1. Juni ein Hotelzimmer gebucht,
es aber nicht benutzt. Weil er bereits tot war?, hämmerte es in Häberles Gehirn.
Ermordet in seiner eigenen Firma? Ein Tippen auf die Schulter riss ihn aus den Gedanken.
Es war der Barkeeper, der ihm ein Glas Bier hinstellte. Häberle drehte sich um,
lächelte und nahm einen kräftigen
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