Schusslinie
Rechts-vor-Links-Regelung glatt
ignorierte, und blieb schließlich mit einer abrupten Bremsung vor einem neuen Firmenkomplex
stehen, den ein mannshohes Eisengittertor umgab. Dahinter erhob sich ein zweistöckiges
Gebäude, dessen Glas und Aluminium modernen Baustil repräsentierte, stellte Häberle
fest. Die weite, gepflasterte Freifläche war leer.
»Das kann sich sehen lassen«, befand Häberle
beim Anblick des nagelneuen Firmenkomplexes. Die Anlage schien nur darauf zu warten,
endlich in Betrieb genommen zu werden.
Meckenbach zeigte sich stolz, schließlich hatte
er das Projekt von Anfang an betreut. »Es sieht nur außen so fertig aus. Die Produktionsaufnahme
ist erst im nächsten Frühjahr geplant – und die Verlagerung des gesamten Betriebs
dürfte dann noch weitere neun Monate dauern, erklärte er, als er mit einem Schlüssel
die Automatik des Tores aktivierte und es zur Seite gleiten ließ.
Sie schritten über die Freifläche auf den Haupteingang
zu. »Und wer ist derzeit hier tätig?«
»Innenausbau«, erwiderte Meckenbach und blickte
sich prüfend um, »ist ziemlich aufwendig, weil an unsere Fertigung allergrößte Ansprüche
gestellt werden. Allergrößte.« Er öffnete die breite gläserne Eingangstür, betrat
mit Häberle das Marmor spiegelnde Foyer und verriegelte hinter sich das Schloss
wieder.
Meckenbach drückte einige Schalter und durchflutete
damit den luxuriös wirkenden Raum mit Halogenlicht. »Vom Feinsten«, staunte Häberle,
dessen sonore Stimme in dem Raum seltsam hallte. »Und wer schaut hier nach dem Rechten
– wenn Sie nicht da sind?«
Meckenbach ging ein paar Schritte voraus zu
der geschwungenen Treppe, blieb stehen und drehte sich um: »Ein Security-Dienst
schaut vorbei und geht einmal täglich durch die Anlage.«
»Auch innen?«, wurde Häberle hellhörig.
»Ja, natürlich. Der Wachdienst hat einen Schlüssel.«
Meckenbach sagte dies, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt und stieg
die Wendeltreppe hoch. Häberle folgte schweigend.
»Ich zeig Ihnen das Büro, das als einziges
fertig gestellt ist – von dort aus hat
auch Herr Nullenbruch seine Geschäfte getätigt, so lange er hier war«, erklärte
Meckenbach beim Weitergehen.
Häberle ließ seinen Blick durch das weitläufige
Foyer streifen, von dem aus mehrere Türen in die angrenzenden Produktionshallen
zu führen schienen. Meckenbach hatte bereits das Obergeschoss erreicht, knipste
auch dort die Lichter an und entschwand auf dem langen Flur aus Häberles Blickfeld.
Der Kommissar war gerade noch drei, vier Stufen vom Ende der Treppe entfernt, als
ihm auf dem hellen Marmorboden des vor ihm auf Augenhöhe auftauchenden Flurs ein
rostroter Fleck ins Auge sprang, kaum größer, als der Nagel des kleinen Fingers.
Der Kommissar verharrte, stieg noch einige Stufen höher und bückte sich langsam.
Auf dem Flur vor ihm verhallten Meckenbachs Schritte.
Häberle tippte vorsichtig mit dem rechten Zeigefinger
auf den Fleck. Er war angetrocknet. Der Chef-Ermittler konnte jedoch nicht feststellen,
worum es sich handelte, doch seine langjährige Erfahrung im Umgang mit Gewaltverbrechen
ließ ihn das Schlimmste vermuten. Blut. Er ging in die Hocke, um diesen seltsamen
Klecks auf dem ansonsten blitzblanken Fliesenboden noch näher vor Augen zu haben.
»Herr Häberle«, schallte es durch den Flur.
Meckenbach wurde offenbar ungeduldig.
Der Kommissar reagierte sofort und erhob sich,
um seinen Begleiter nicht auf den Fund aufmerksam zu machen: »Ich komme – wollte
nur das Foyer nochmal sehen.«
Doch der Manager war bereits wieder so weit
zurückgekommen, dass er Häberles gebückte Haltung gerade noch erkennen konnte. »Ist
was?«
»Der Schuhbändel«, erwiderte der Kriminalist
schlagfertig, »der Schuhbändel ist aufgegangen.«
Er grinste.
In Nullenbruchs hell eingerichtetem Büro hatte nichts darauf hingedeutet,
dass er jüngst da gewesen wäre. Keine Notizen, keine sonstigen Spuren, die einen
Besuch hätten vermuten lassen. In den Regalen standen einige wenige Ordner, Telefon
gab es nicht. Häberle hatte auch unauffällig nach weiteren, rostroten Flecken gesucht,
jedoch keine entdeckt. Er ließ sich die anderen Räume zeigen, die allesamt leer
standen, warf einen Blick in die riesigen Produktionshallen, in denen meist nur
die Sockel für irgendwelche Maschinen vorhanden waren, und staunte über die enorme
Elektroinstallation.
Dann rief Meckenbach ein Taxi. »Zum Hotel«,
entschied Häberle und Meckenbach schien
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