Schusslinie
er nicht weiß.«
Häberle entschied, die Sache von einer anderen
Seite anzugehen. »Und welche Rolle kommt Ihnen zu, Mr…« Dem Kommissar wurde erst
jetzt bewusst, dass er den Nachnamen des Amerikaners gar nicht kannte.
»Netherland«, ergänzte der Angesprochene, »aber
nennen Sie mich ruhig Pit, das tun alle. Ich bin gekommen«, fuhr Pit fort, »um meinem
Schwager zu helfen. Nicht in der Firma hier, sondern bei neuen Projekten – aber
das hat nichts mit Herrn Nullenbruch zu tun.«
»Darf ich wissen, welcher Art diese neuen Projekte
sind?«
»Wir wollen in das Immobiliengeschäft einsteigen.
In der Hohen Tatra, da draußen in den mountains …« Pit machte eine entsprechende Kopfbewegung, »… da haben wir
große Grundstücke günstig aufgekauft, auch alte Häuser, verlassene Bauernhöfe. Wir
wollen bauen oder renovieren und an zahlungskräftige … sagt man so? … reiche Leute aus dem Ausland verkaufen.«
Pit lächelte. »Business, Mr. Häberle. Wir können bei den Löhnen in der Slowakei
ganz billig bauen, aber die Ausländer aus Westeuropa bezahlen gute Preise für Häuser.
200 bis 300 Prozent Gewinn für uns.«
Häberle verstand. Geschäftemacher am Werk,
dachte er. Dann wagte er einen seiner gefürchteten Frontalvorstöße: »Und was hat
das alles mit Sport zu tun?«
Pit schluckte und schien für einen Moment völlig
irritiert zu sein, fing sich aber sofort wieder. »Sport?«, fragte er. Es klang Englisch.
»Ja, Sport«, bestätigte Häberle rasch und eine
Spur schärfer und beobachtete im Augenwinkel auch Meckenbach, dessen Miene sich
versteinerte, »Sport, Fußball zum Beispiel.«
Pit verzog das Gesicht, als sei er völlig ratlos.
»No idea, keine Ahnung«, presste er hervor. »Wie kommen Sie darauf?«
»War nur so eine Idee. Entschuldigen Sie. Was
mich noch interessieren würde, Mr. Netherland, wie sind denn die Beziehungen Ihres
Herrn Schwagers zum hiesigen Chef der Polizei?«
Der Amerikaner wurde nervös. »Jano hatte nie
ernsthaft mit der Polizei zu tun, falls Sie das meinen.«
»Das mein ich nicht. Ich meine, ob Jano Beziehungen
irgendwelcher Art zum Chef der Polizei hat.«
»Wissen Sie, Mr. Häberle, Jano ist ein sehr
erfolgreicher Geschäftsmann. Da brauchen Sie Beziehungen überall hin.«
Der neuerliche Versuch, Jano auf dem Handy zu erreichen, schlug fehl.
Die Häuser warfen bereits lange Schatten, als Häberle und Meckenbach wieder im Taxi
saßen, um sich an den östlichen Stadtrand bringen zu lassen, wo in den vergangenen
Jahren ein riesiges Gewerbegebiet aus dem Boden gestampft worden war.
»Haben Sie bemerkt, wie Pit unsicher geworden
ist?«, brach der Kommissar das Schweigen, während der schlecht rasierte Fahrer seinen
gewiss zehn Jahre alten Mercedes nach Rallye-Art durch den lebhaften Verkehr jagte.
Häberle entschied, gleich gar nicht durch die Windschutzscheibe nach vorne zu schauen.
Meckenbach sah auf den Gehweg hinaus, der in
rasantem Tempo an ihnen vorbeischoss. »Natürlich sind das Geschäftemacher«, erwiderte
er tonlos, »nach amerikanischer Art eben.«
»Sie trauen den beiden zu, dass sie das Geld
der Kapitalanleger nicht als Darlehen irgendwelchen anderen Firmen zufließen haben
lassen?«, bohrte Häberle und hielt sich instinktiv an einem seitlichen Griff oberhalb
der Scheibe fest. Der Kaugummi kauende Kerl da vorne fuhr wirklich wie der Teufel.
Meckenbach wirkte blass. »So lange mein Projekt
da draußen läuft, ist mir das relativ egal und mit dem, was wir da machen, haben
weder Jano noch Pit etwas zu tun. Das ist Nullenbruchs Privatvergnügen.«
»Aber Nullenbruch kann es nicht egal sein,
was mit seiner Beteiligung an dieser slowakischen Firma geschieht. Wenn dort krumme
Dinger gedreht werden sollten, hängt er nämlich mit drin. Schließlich ist er doch
Mehrheitseigner …«, warf Häberle
ein.
»… Mehrheitseigner mit dem Geld seiner Frau,
um es mal korrekt auszudrücken«, gab Meckenbach zu bedenken. »Und seit er sich abgesetzt
hat – oder was weiß ich, was da geschehen ist –, seither dürfte es ohnehin aus sein.
Haben Sie seine Frau kennengelernt?«
Der Manager schaute den Kommissar von der Seite
an. Häberle nickte, sagte aber nichts.
»Wenn’s um Geld geht, kennt die kein Pardon.
Deshalb hat sie auch die Ute Siller zur Pro-forma-Chefin ernannt. Die greift durch
nach ihrem Geschmack.«
Häberle konnte sich dies lebhaft vorstellen.
Das Taxi bog in das Gewerbegebiet ein, preschte
über mehrere Kreuzungen, an denen der Fahrer die
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