Schusslinie
begann Gangolf, der
einen korrekt sitzenden Nadelstreifenanzug trug, »telefonisch hatten wir ja bereits
das Vergnügen.« Er lächelte gequält, »wenn Sie jetzt die weite Reise in Kauf nehmen,
haben Sie dafür Ihre Gründe, nehm ich an.«
»In der Tat, die gibt es. Ich habe es gern,
mir mit eigenen Augen ein Bild zu verschaffen – von den Menschen, ihrer Arbeit und
ihrer Umgebung. Und Ihr Name ist inzwischen mehrfach gefallen«, erklärte der Kommissar
sachlich. »Seit unser verehrter Bundestrainer verschwunden ist, hat dieser Fall,
den Sie gewiss kennen, eine neue Qualität erhalten.«
Der Mann lauschte, ohne eine Miene zu verziehen.
»Diese Umstände erfordern es, auch über Dinge
zu reden, die in den Bereich der Privatsphäre gehören«, erläuterte der Kommissar.
»Auch Sie muss ich deshalb bitten, uns behilflich zu sein. Dieser ganze Fall legt
die Vermutung nahe, dass es irgendetwas gibt, das mit Fußball zu tun hat – und zwar
mit dem Profi-Fußball«, lenkte Häberle auf sein Thema ein, »spätestens das Verschwinden
Klinsmann hat wohl bestätigt, dass die Medien mit ihren Spekulationen nicht so falsch
lagen. Meine Frage deshalb an Sie: Geben Ihre Aktivitäten, die Sie durch Ihren Mitarbeiter
Herrn Liebenstein entfalten lassen, in irgendeiner Weise Anlass dazu, dass es Feinde
gibt? Feinde, die vor nichts zurückschrecken?«
»Wissen Sie, Herr Häberle, wenn Sie sich für
eine große Sache stark machen, haben Sie immer Feinde. Auch Sie haben das. Und in
der Politik kommt noch das Anspruchsdenken auf Macht dazu – schon gar in diesen
Zeiten. Es gibt Menschen, die schrecken vor nichts zurück.«
Typisch Politiker, dachte Häberle. Auf jede
Frage ein langes Statement, aber keine konkrete Antwort. Das war im jetzt schon
entbrannten Bundestagswahlkampf keine Spur anders.
»Ich meine«, unterbrach er den Redefluss vorsichtig,
»sind Ihre Aktivitäten irgend jemanden ein Dorn im Auge? Oder anders herum gefragt:
Herr Lanski war vor fast sechs Wochen bei einer Tagung in Stuttgart und hat dann
alte Freunde in Geislingen treffen wollen, denen er offenbar ein Geheimnis anvertraut
hat – könnten Sie sich vorstellen, dass dies etwas mit Ihren Aktivitäten zu tun
hatte?«
Über Gangolfs Gesicht huschte ein gekünsteltes
Lächeln. »Lanski war bei einem Treffen geschäftlicher Natur unseres Freundes Beierlein.
Und wie ich gehört habe, soll er nicht immer saubere Geschäfte getätigt haben und
auch schon in diese Wettszene eingestiegen sein. Was soll ich dazu sagen?«
Wieder keine Antwort. Häberle versuchte es
anders. »Frau Ute Siller ist Ihre geschiedene Frau.«
Keine Regung.
Ȇber sie haben Sie Herrn Nullenbruch kennen
gelernt. Und der wiederum scheint eine Schlüsselrolle zu spielen«, kombinierte Häberle
weiter.
»Schlüsselrolle!«, wiederholte Gangolf abfällig,
»wie das schon klingt! Wir haben eine Sponsoring-Gesellschaft gegründet, eine gemeinnützige
übrigens, um der WM ein günstiges Klima zu verschaffen. Mehr nicht. Oder wollen
Sie etwa nicht, dass wir Weltmeister werden?«
»Das dürfte ohne Klinsmann schwierig werden«,
konterte Häberle und glaubte zu erkennen, wie sich Gangolfs Miene verfinsterte.
»Das brauchen Sie mir nicht zu sagen«, zeigte
er sich vorwurfsvoll und wandte seinen Blick absichtlich von seinem Gegenüber ab.
»Es fällt auf«, fuhr Häberle gelassen fort,
»es fällt auf, dass es Kontakte verschiedenster Art in die Slowakei gibt. Okay,
Nullenbruch investiert dort – aber es scheint Beziehungen zu einem gewissen Jano
Blamocci zu geben, der seit geraumer Zeit ebenfalls verschwunden oder untergetaucht
ist. Sagt Ihnen der Name etwas?«
»Matthias – also Herr Nullenbruch – hat hin
und wieder diesen Namen genannt. Ein Geschäftsmann wohl – mehr weiß ich nicht.«
»Und das Mädchen – die Anna?« Häberle ließ
sein Gegenüber nicht aus den Augen.
»Sie meinen dieses kleine Luder? Matthias hat
sie mal mitgebracht … als Souvenir,
könnte man sagen. Ich sagte ja, sie hat hin und wieder angerufen, nachdem Matthias
weg war.«
»Da ruft sie Sie an – sie, das kleine Luder
ruft den Politiker in Berlin an?«, staunte Häberle und stieß bei seinem Gesprächspartner
auf Empörung.
»Nun ja, wenn man die Telefonnummer bekannt
gibt, belästigen sie einen dauernd.«
»Was weiß sie denn von Ihren Kontakten zu Nullenbruch?«
Er zuckte heftig mit den Schultern. Schweiß
stand ihm auf der Stirn. »Keine Ahnung. Das ist dem Matthias seine Sache.«
»Und wenn ich Ihnen
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