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Schusslinie

Schusslinie

Titel: Schusslinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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hatte.
    Häberle konferierte am Telefon mit einem französischen
Kollegen, der sich als Einsatzleiter vorstellte und der nahezu perfekt Deutsch sprach.
Sie einigten sich darauf, den Zugriff in der Abenddämmerung vorzunehmen. Ein deutsches
Spezialeinsatzkommando, so versicherte der Franzose, sei nicht notwendig, man werde
mit einer Anti-Terror-Einheit vorgehen, sodass dem Bundestrainer nach menschlichem
Ermessen nichts geschehen werde, zumal sich die Kidnapper in Sicherheit fühlten
– vorausgesetzt, so hoffte Häberle inständig, es gab in den eigenen Reihen keinen
Spion.
    Der Kommissar entschied jedoch, selbst vor
Ort zu sein. Er ließ sich beim Innenministerium die Genehmigung geben – eine reine Formsache angesichts der Tragweite
des Falles. In einer Air-France-Maschine, die um 13.15 Uhr ab Stuttgart über Paris
nach Marseille flog, gab es noch einen Platz. Die französischen Kollegen würden
ihn bei seiner Ankunft in Marseille um 17 Uhr vom Flughafen abholen, sodass er spätestens
gegen 19 Uhr am Einsatzort sein konnte. Noch rechtzeitig, um dem Zugriff beiwohnen
und hoffentlich anschließend sofort mit Klinsmann sprechen zu können.
    Häberle ließ sich von einer Polizeistreife
nach Hause bringen, wo ihm Susanne, die er telefonisch informiert hatte, an der
Tür einen Kuss auf die Wange drückte, ihm einen kleinen Koffer reichte und ihm viel
Glück wünschte. Mit Martinshorn und Blaulicht ging’s weiter zum Stuttgarter Flughafen.
     
    Bereits beim Aussteigen aus dem Flugzeug hatte Kommissar Häberle diesen
südfranzösischen Sommer in sich aufgesogen. Mit einem Mal fühlte er sich in den
Urlaub versetzt – und für einen Augenblick spürte er, wie schön es jetzt wäre, hier
mit Susanne ein paar Tage auszuspannen. Die Sonne brannte von einem strahlend blauen
Himmel, es hatte sicher mehr als 25 Grad. Häberle eilte an den Fluggästen vorbei
und mied das Koffer-Transportband, weil sein kleines Gepäckstück in der Kabine Platz
gefunden hatte. Vor dem Gebäude erspähte er sofort einen Streifenwagen der französischen
Kollegen. Er winkte ihnen zu, begrüßte sie mit den wenigen französischen Worten,
derer er mächtig war, und nahm auf dem Rücksitz Platz.
    Der Beamte auf dem Beifahrersitz sprach glücklicherweise
relativ gut Deutsch. Ihm und seinem Kollegen sei es eine große Ehre, so erklärte
er, zur Rettung des deutschen Fußballbundestrainers beitragen zu dürfen – auch wenn
dies nur darin bestehe, einen deutschen Kommissar rechtzeitig an den Einsatzort
zu bringen.
    Der Fahrer schaltete Blaulicht und Sirene ein
und jagte den Wagen wie ein Besessener aus dem dichten Verkehr des Flughafenbereichs
hinaus zur Autobahn. Unter Missachtung aller Geschwindigkeitsbegrenzungen, mal im
Slalom an stehenden Autos vorbei, dann entgegen der Fahrspuren oder über den Gehweg
hinweg, verschaffte sich der Chauffeur Platz und Respekt. Häberle klammerte sich
an der Polsterkante seines Sitzes fest.
    Vorbei an Arles, schoss der Streifenwagen nach
knapp einer Stunde über eine schier endlos gerade und schmale Straße in die Ebene
hinaus. Langsam neigte sich die Sonne zum westlichen Horizont hin. »Camargue«, kommentierte
der Beifahrer, während sein Kollege das Blaulicht abschaltete; die Sirene hatten
sie ohnehin nur noch innerhalb der Ortschaften benutzt. Jetzt aber wollten sie keinerlei
Risiko eingehen und beim Näher kommen nicht unnötig auf sich aufmerksam machen.
Wenig später stoppte der Wagen an einem einsamen Gehöft. Dort wartete ein beiger
Zivilwagen der Marke Renault Megane, aus dem zwei zivil gekleidete Männer stiegen.
Sie salutierten, reichten Häberle die Hand und baten ihn auf den Rücksitz. Gleichzeitig
verabschiedete er sich von den anderen, die wieder Richtung Marseille zurückfuhren.
    Häberles jetzige Begleiter sprachen zu seiner
Erleichterung ebenfalls gut Deutsch. Der Renault, dessen Form aus einer Mischung
von Kanten und Rundungen nicht gerade seinem Geschmack entsprach, rollte jetzt wie
das Auto dreier Ausflügler in die weite Ebene hinaus, in der sich die frühabendliche
Sommersonne in den Flächen der bewässerten Reisfelder spiegelte. Auf einigen Koppeln
grasten die legendären weißen Pferde der Camargue. Am Himmel über ihnen zog majestätisch
eine Schar Flamingos vorüber. Häberle musste sofort an Linkohrs Entdeckung auf dem
Video denken. Eine Stille und Zufriedenheit lag überm Land, die er daheim oftmals
so sehr vermisste.
    In der Ferne tauchte der charakteristische
Kirchturm des Örtleins

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