Schusslinie
Alternative?«
»Wir müssen rauskriegen, wer die Drahtzieher
sind.«
»Ach – was«, wies der Ministerialdirektor diese
Vorschläge zurück, »was soll’s auch? Die sitzen am verdammt langen Hebel. Natürlich
ist auch mir eines klar …« Er überlegte,
wie er es sagen sollte, »… es muss hier jemand geben, der für diese verdammte Scheiße
verantwortlich ist. Ein Verräter …«
Rambusch seufzte resignierend: »Was glauben
Sie, was ›MV‹ mit uns macht, wenn das rauskommt?«
»Es wird nicht rauskommen, wenn wir vernünftig
handeln und jetzt nicht den Kopf verlieren«, entschied der Ministerialdirektor.
64
Wieder ein arbeitsreiches Sommerwochenende. Linkohr dachte an Juliane
und an die viele freie Zeit, die ihnen in diesem Sommer verloren ging. Einziger
Trost, wie er es empfand, war das wechselhafte Wetter, das keine großen Aktivitäten
im Freien zuließ. Jetzt aber nahm der Fall, der zuletzt immer weniger Ansatzpunkte
geboten hatte, eine völlig neue Dimension an. Die ganze Republik blickte auf diese
Provinzstadt. Doch es war Pressesprecher Stock und den Kollegen der Aufbauorganisation
in Göppingen gelungen, den Medienrummel von der Sonderkommission fern zu halten.
Von dem aufgetauchten Klinsmann-Video durfte vorläufig nichts an die Öffentlichkeit
kommen.
Das Original hatte Häberle mit einem Kurier
zum Landeskriminalamt bringen lassen, während im Lehrsaal des Geislinger Polizeireviers
die Kopie immer und immer wieder vorgespielt wurde. »Anhalten «, sagte Linkohr.
Ein Kollege schaltete das Videogerät auf Standbild-Funktion. Der Jungkriminalist
ging zum Bildschirm und deutete auf ein Objekt, das in dem hellen Fensterausschnitt
neben Klinsmann aufgetaucht war. »Was ist das?«, fragte er in die Runde der um ihn
versammelten Kollegen. Sie kamen ebenfalls näher, doch es war schwierig, den dunklen
Fleck zu identifizieren, zumal die Kopie des Videos auch nur von mäßiger Qualität
war.
»Können wir ein paar Sequenzen zurück?«, bat
Linkohr und sogleich ruckelte das Bild sechs-, siebenmal rückwärts.
»Es kommt von links geflogen«, kommentierte
der Kriminalist und zeigte mit dem Finger darauf, »kein Flugzeug, denn es scheint
mit Flügeln zu schlagen. Bitte weiter.« Das Bild ruckelte wieder. »Ich würde tippen,
es ist ein großer Vogel, vielleicht sogar zwei oder drei nebeneinander. Noch mal
weiter.« Das nächste Bild schien Linkohrs Vermutung zu bestätigen. »Einige sehr
große Vögel, wenn man überlegt, dass sie offenbar in einiger Entfernung vorbeigeflogen
sind.«
Einer der Kollegen unterbrach ihn: »Bussarde,
Fischreiher – Störche?«
»Eher Störche«, mutmaßte Linkohr, »schauen
Sie noch mal hin.« Der Mann am Videorekorder ließ das Band erneut zurücklaufen,
um die Szene mit dem von links heranfliegenden Objekt in Zeitlupe zu zeigen. »Störche
könnten es sein«, wiederholte Linkohr. »Aber wo gibt es das hierzulande?«
Keiner wollte etwas wissen. Weder Beierlein, noch Gangolf. Die Anspielung
Klinsmanns auf jemanden, der die Forderungen kennen müsse, schien alle vor ein Rätsel
zu stellen.
»Das gibt es nicht«, zweifelte Häberle, als
ihm die Kollegen am frühen Samstagabend das Ergebnis ihrer Bemühungen offenbarten.
»Es kann doch nicht sein, dass uns eine Botschaft übermittelt wird, die keiner versteht.
Das gibt es nicht.«
Linkohr kam blitzartig eine Idee. »Wir haben
eine Gruppe noch nicht befragt.«
»Und?«, zeigte Häberle gewisse Ungeduld.
»Erinnert ihr euch an die Liste, die uns Beierlein
mit seinem Anwalt vorgelegt hat? Diese Teilnehmer des Stuttgarter Meetings – alles
Geschäftsfreunde von Beierlein aus dem In- und Ausland.«
Häberle nickte. »Diese Sportfunktionäre, über
die er WM-Artikel verkaufen will«, erinnerte er sich, »natürlich … checkt mal diese Personen, ruft sie an, egal
wo.«
Unterdessen stürmte aus dem Nebenraum einer
der Kriminalisten herein. »Anruf vom LKA«, verkündete er, worauf sich die Kollegenschar
zu ihm umdrehte, »sie glauben Klinsmanns Botschaft zumindest teilweise entschlüsselt
zu haben.« Er hielt einen Notizzettel in der Hand. »Nicht, was die Forderung anbelangt«,
dämpfte er gleich die hohen Erwartungen, »aber was es wohl mit der Nichte auf sich
haben könnte. Fest steht, dass es in Klinsmann Verwandtschaft weder einen Mark noch
eine Marie gibt, auch nicht in Amerika. Deshalb waren die Kollegen davon überzeugt,
dass er uns einen Hinweis geben wollte.«
Unter den Zuhörern machte sich Spannung
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