Schusslinie
detailliert erläutern.
Das Einzige, was von Interesse sein konnte, war ein Schlüssel, der vom Schlüsselbund
der ermordeten Anna stammte und für den es offenbar nirgendwo ein passendes Schloss
gab. Bis jetzt war es auch nicht gelungen, Angehörige von Anna ausfindig zu machen.
Die Daten, die sich in Nullenbruchs Personalakten fanden, schienen allesamt gefälscht
zu sein – was Ute Siller nicht wunderte, wie sie gegenüber den Kriminalisten überdeutlich
zum Ausdruck gebracht hatte.
»Habt ihr die Frau Nullenbruch wegen des Schlüssels
schon gefragt?«, wollte Häberle wissen und erntete Kopfschütteln. Linkohr versprach,
sich dieser Sache anzunehmen. Inzwischen waren per E-Mail auch die Fotos der fünf
Kidnapper eingetroffen, deren Identität nach Angaben der französischen Behörden
bislang nicht geklärt werden konnte. Die Männer, so teilte Valabreque mit, verweigerten
die Aussage. Eine Rückfrage bei dem Hamburger Autovermieter ergab, dass der Kombi
in einer Stuttgarter Filiale von einem Mann namens Frantisek Toth angemietet worden
war. Die Adresse ließ Häberle aufhorchen: Košice, in der Gasse namens Zámoènicka
ulica. Das klang zwar fremd, war ihm aber irgendwie vertraut. Klar – ihm fiel es
wie Schuppen von den Augen: dort hatte er zweifelhafte Bekanntschaften gemacht …
68
Der Blutdruck des Mannes schien Schwindel erregende Höhen erreicht
zu haben. Martin Striebel besah sich die Fotos, die ihm Linkohr vorgelegt hatte.
Es waren Porträts von fünf Männern mit kantigen Gesichtszügen und grimmigen Mienen.
Striebel sprang aus seinem Sessel, als wolle er die Bilder mit einigem Abstand betrachten.
Linkohr, der zu Striebel gekommen war, um ihn zu befragen, ob er einige der Personen
kenne, blieb teilnahmslos sitzen. »Die zwei …«, die sonore Stimme des Senior-Ölhändlers dröhnte durch den
Raum, während er auf zwei Bilder deutete. »Das sind die Ganoven, eindeutig. Die
haben uns in Košice bedroht und entführt. Ich kenn die fiesen Fratzen.« Linkohr
merkte sich die Nummern der entsprechenden Fotos, schob die Computerausdrucke übereinander
und steckte sie wieder in ein mitgebrachtes Kuvert. »Danke«, sagte er, »das wird
uns weiterhelfen.«
Linkohr machte sich wieder auf den Weg und
legte die Fotos auch noch Striebels Geschäftsfreund Kromer vor, der zumindest eine
der Personen hundertprozentig sicher identifizieren konnte. Dann besuchte er in
Geislingen den Abgeordneten Riegert, in dessen Büro er sich telefonisch angekündigt
hatte. Der Politiker, der nach seinem schockierenden Erlebnis bei Ravensburg ein
Phantombild von dem damaligen Täter hatte anfertigen lassen, war sich auch ziemlich
sicher, dass einer der beiden Männer, die Striebel identifiziert hatte, zu ihm ins
Auto gestiegen war.
Linkohr war zufrieden.
»Damit hat sich bestätigt, worüber wir uns
seit Langem im Klaren sind«, konstatierte Häberle, als der junge Kriminalist wieder
vor ihm saß. »Aber solange wir hier bei uns auf eine Mauer des Schweigens treffen,
haben wir keine Chance, das Nest da unten auszuheben.« Resignation schwang in seiner
Stimme mit. »Wir müssen unter allen Umständen vermeiden, dass es weitere Opfer gibt
– jetzt, wo die Fußballsaison wieder anläuft.« Der Kommissar deutete auf einen Stapel
ausgedruckter Mails. »Hier – alles Anfragen zum Thema Fußball. Die ganze Republik
hat Schiss. Das Bundesinnenministerium will wissen, wie wir die Lage einschätzen.
Sie befürchten, dass die Hooligans aufgestachelt werden könnten. Auch die ganzen
Käsblätter stürzen sich wieder auf unsere alten Fälle. Hier …« Er hob eine Seite aus der ›Bild-Zeitung‹:
»Tödliches Geheimnis um Klinsmann?«, stand da in fetten Lettern zu lesen. »Als ob
die Republik derzeit keine anderen Probleme hätte!«
»Den Politikern kann es doch nur Recht sein,
wenn es genügend Nebenkriegsschauplätze gibt«, kommentierte Linkohr.
»Da haben Sie aber hundertprozentig Recht«,
entgegnete der Kommissar, »mit der Klinsmann-Entführung ist völlig untergegangen,
welche Sauereien sich in diesem Land tagtäglich ereignen – mit zunehmender Tendenz.
Denken Sie an diesen ›Hartz‹! Diesen Guru, der mit seinen Ideen die Arbeitslosen
in endlose Armut gestürzt hat! Macht ihnen vor, dass man mit 345 Euro monatlich
leben kann – und die Politiker in ihrer Elendseinfalt halten ihn für den Messias.
Und was tut er selbst?« Häberle winkte ab. »Als Personalmanager von Volkswagen dreht
er die übelsten Dinger – und jetzt
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