Schusslinie
gefunden. Valabreques Gesicht entspannte sich.
Häberle spürte sein Herz bis zum Hals schlagen. »Was heißt gefunden?«, wagte er
schließlich nachzufragen. Dem Aussehen nach waren die Täter Südosteuropäer, urteilte
der Kommissar, der insgeheim noch immer über die zeitweise gnadenlose Vorgehensweise
der französischen Kollegen staunte. Würden Straftäter, und seien sie noch so gefährlich,
in Deutschland derart angepackt, ginge ein Aufschrei der Empörung durch die Republik,
dachte Häberle, der die liberale Haltung gegenüber Schwerstkriminellen immer weniger
verstand. Selbst in den USA, das für gewöhnlich als das freiheitlichste Land der
Welt gepriesen wurde, gingen die Sicherheitskräfte gegen Straftäter weitaus energischer
vor, als man dies in Deutschland tun durfte. Er erinnerte sich an einen Wohnmobil-Urlaub
im Wilden Westen, als man ihm geraten hatte, den Sheriffs allergrößten Respekt entgegenzubringen.
Ähnliches galt für die Ranger, die in den Naturparks für Ordnung sorgten. In Deutschland
hingegen, das kam Häberle gerade jetzt in den Sinn, als er die Einsatzkräfte abziehen
sah, war in den vergangenen Jahren der Respekt vor Polizisten gegen null gesunken.
Eine Entwicklung, der nur politisch entgegenzuwirken sein würde.
Gefunden. Sie hatten Klinsmann gefunden, ja.
Valabreque schlug seinem Kollegen Häberle freundschaftlich auf die Schulter. »Wir
haben’s geschafft, wir haben ihn.« Von Häberle fiel eine tonnenschwere Last. »Er
kommt gleich raus«, jubilierte der Franzose, »stellen Sie sich vor. Wir haben den
bekanntesten und beliebtesten Mann Deutschlands gerettet. Hier, hier bei uns.« Draußen
erhellten inzwischen Halogenscheinwerfer das Grundstück und das schmucke Häuschen.
In Häberles Gesicht kehrte wieder Farbe zurück,
als Valabreque ihn aufforderte: »Kommen Sie, kommen Sie raus, wir nehmen ihn in
Empfang.«
Der deutsche Kommissar sprang aus dem Kombi
und spürte, wie verkrampft er war. Er folgte Valabreque hinüber zu dem niederen
Zaun, der das Grundstück umgab. Obwohl die Dämmerung jetzt bereits weit fortgeschritten
war, hatten sich auf der Uferstraße Schaulustige eingefunden, die jedoch auf Distanz
gehalten wurden. Die Kombis mit den festgenommenen Männern bahnten sich einen Weg
in die Stadt.
Häberle und Valabreque sowie einige stramm
stehende Männer des Einsatzkommandos erinnerten an ein Empfangskomitee, das ungeduldig
darauf wartete, bis endlich die erhoffte Person im Scheinwerferlicht auftauchte.
Augenblicke später näherte sich aus dem dunklen Innern des Gebäudes ein Blondschopf.
Er war es tatsächlich. Er trug einen blauen Jogginganzug, als käme er gerade von
einem Spiel der deutschen Nationalmannschaft. Begleitet von zwei Uniformierten trat
Klinsmann blass, aber wie gewohnt strahlend, in das halogene Scheinwerferlicht und
ging rasch über den Rasen des Vorgartens zur Straße hinab. »Monsieur Klinsmann«,
entfuhr es Valabreque geradezu euphorisch. Er kam ihm ein paar Schritte entgegen
und schüttelte ihm die Hand. Er stellte sich als der Einsatzleiter vor und zeigte
gleich auf Häberle: »Mein Kollege aus Deutschland. Häberle.«
Der Kommissar lächelte und drückte dem prominenten
Trainer fest die Hand. »Wir haben vor vier Wochen miteinander telefoniert.« Häberle
bemühte sich um Distanz und Sachlichkeit, obwohl er Klinsmann am liebsten herzlich
umarmt hätte – aus Freude darüber, dass er unversehrt aus den Händen seiner Kidnapper
befreit worden war, aber auch aus Sympathie für diesen unglaublich positiv gestimmten
Trainer.
»Danke, ich kann nur sagen: Danke.« Klinsmann
wirkte erschöpft, aber auch unendlich erleichtert.
Valabreque strahlte. »Wir haben für Sie ein
Zimmer im besten Hotel reservieren lassen«, sagte er triumphierend, »es war uns
klar, dass wir Sie heute da rausholen.«
»Es war eine Spitzenleistung«, lobte Klinsmann,
»ich bin zwar zu Tode erschrocken, aber Ihre Leute haben das phänomenal hingekriegt.«
Häberle wagte es, dem Prominenten auf die Schulter
zu klopfen. »Aber Sie auch. Ohne Ihre verschlüsselte Botschaft wären wir niemals
auf diesen Ort hier gekommen.«
Der Bundestrainer holte tief Luft und schaute
Häberle an. »Es war genauso eine Leistung für Ihre Leute, diese Botschaft zu verstehen.
Das muss in Rekordzeit passiert sein.«
»Wir hätten es nicht verantworten können, Sie
noch länger in der Gewalt dieser Burschen zu lassen. Der deutsche Fußball braucht
Sie.«
Klinsmann schüttelte Häberle noch
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