Schusslinie
kann Ihnen von
meiner Seite versichern, dass alles plangemäß angelaufen ist«, erklärte Pfisterer.
»Meine Kollegen sind hoch motiviert. Sie sehen darin endlich einmal wieder eine
Chance für unser Land.«
Liebenstein nickte und lehnte sich zurück.
»Die es natürlich zu ergreifen gilt«, knüpfte er an Pfisterers Worte an, um damit
die Bedeutung zu unterstreichen. »Ohne Sie und die Bereitschaft Ihrer Kollegen geht
es natürlich nicht«, fuhr er fort. »Wir brauchen Kapital – sehr viel Kapital. Ich
befürchte sogar, mehr als wir bisher errechnet haben.«
Pfisterers Gesicht versteinerte sich. »Sie
kennen unser Anliegen«, sagte er mit leicht drohendem Unterton. »Die Gemeinnützigkeit«,
gab er sich selbst das Stichwort.
»Herr Gangolf hat sich bereits mit dem Finanzministerium
in Verbindung gesetzt und Kontakte geknüpft. Keine Sorge. Die Vereinsgründung ist
erfolgt – und wer wollte es schon wagen, eine so gute Sache zu torpedieren? Doch
auch die anderen nicht.«
»Manche Kollegen«, Pfisterer zögerte und rang
nach Worten, »nun ja, manche wären auch bereit, sich sogar stärker zu engagieren,
als es ihre Bilanzen zuließen – nur müsste sichergestellt sein, dass die Finanzämter
keine unangenehmen Fragen stellen.«
Liebenstein verstand. »Sie meinen das Geldwäschegesetz«,
brachte er das Problem auf den Punkt.
»Ja, so nennt man das wohl«, sagte er, »seit
die Regierung hinter jedem Cent her ist, ist man in diesem Land doch vor nichts
mehr sicher. Erst vor drei Monaten haben sie das Bankgeheimnis über Bord geworfen.«
Pfisterer versuchte, ruhig zu bleiben. Immerhin hatte er einen Vertreter der Regierung
vor sich, die den Niedergang aller bisherigen Werte zu verantworten hatte. »Aber
es steht eine Wende bevor«, fügte er energisch hinzu.
»Ich kann Sie beruhigen«, entgegnete Liebenstein,
»Ihre Kollegen können ihr Schwarzgeld unbesehen einbringen.«
Pfisterer holte tief Luft. »Wie sagt man doch
gleich? Geld stinkt nicht.«
Liebenstein ging nicht darauf ein. »Sehen Sie
es als Anschubfinanzierung für den konjunkturellen Aufschwung, Herr Pfisterer. Sollte
das Vorhaben von Erfolg gekrönt sein, wird die Regierung, egal welche, das dürfen
Sie mir glauben, gewiss alle Finanzgeber in den folgenden Jahren bei ihren Auftragsvergaben
berücksichtigen. Und bedenken Sie: Es gibt viel zu tun – im Inland und bei den unzähligen
Entwicklungshilfeprogrammen im Ausland. Die deutsche Wirtschaft wird davon profitieren.
Oder besser gesagt, all jene Unternehmen, die jetzt mitziehen.« Liebenstein warf
sein Jackett über die Stuhllehne. »Wenn man’s genau nimmt«, lächelte er, »dann hat
diese Regierung doch Ihnen und Ihresgleichen die Kohlen aus dem Feuer geholt.« Frau
Pfisterer blickte von ihrem Buch auf, als ob sie plötzlich an dem Gespräch der Männer
interessiert wäre. Ihr Mann kniff die Lippen zusammen und starrte Liebenstein gespannt
an.
»Hätten die Konservativen diesen sozialen Kahlschlag
vom Zaun gebrochen, hätte man ihnen Kumpanei mit der Wirtschaft vorgeworfen. Die
Gewerkschaften wären Amok gelaufen, Chaoten wären auf die Straße gegangen und hätten
gegen das Großkapital losgeschlagen. Man kennt das ja. Jetzt haben aber ausgerechnet
die Rot-Grünen Tabula rasa gemacht und aus panischer Angst, während ihrer Regierungszeit
gehe vollends alles vor die Hunde, den Unternehmern Zugeständnisse gemacht, die
in dieser Republik beispiellos sind.«
Liebenstein lächelte. Er war sichtlich stolz,
auch Teil dieser Regierung zu sein, die dies so genial eingefädelt hatte. »So ist
eine Situation entstanden … « knüpfte er an
Pfisterers Worte an, »… mit der niemand gerechnet hätte. Niemand. Auf diese Weise
sind aber den Unternehmen alle Freiheiten geschaffen worden. Freiheiten, die Sie
und Ihre Kollegen zu einem Befreiungsschlag nutzen.«
Pfisterer schwieg erstaunt. Derlei ehrliche
Worte aus dem Mund eines Vertreters des rot-grünen Wirtschaftsministeriums hatte
er nicht erwartet.
»Gewerkschaften und Betriebsräte strecken die
Waffen angesichts der finstren Lage«, machte Liebenstein weiter. »Die Stimmung im
Land hat sich so gedreht, dass alle froh sind, überhaupt noch einen Arbeitsplatz
zu haben. Eine geradezu geniale Stimmung …« Er behielt sein Gegenüber scharf im Auge und spürte, wie Pfisterer
ihm an den Lippen hing. Auch die Frau hatte das Interesse an ihrem Buch vollends
verloren.
»Alle tun alles, um ihren Job zu behalten«,
dozierte der Besucher weiter, »man
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