Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
hübsch und freundlich. Sie hat mich angelächelt, weil sie mich erkannt hat.« Offenbar sprach er nun von Carmen Wolfrat.
Schuster brannten die Fragen unter den Nägeln, doch er wusste, er durfte ihn jetzt nicht unterbrechen.
»Ich war öfter dort in dieser Bar. Immer nur wegen ihr.« Hagedorn lächelte.
Im Raum war es so still geworden, dass man Kuhns Magen leise grummeln hörte.
»Eines nachts bin ich wieder hingegangen, um sie zu sehen. Ich hab ihr was ins Glas getan und sie ist einfach umgefallen. Ihr Schuh ... sie hatte ihren Schuh verloren.« Er runzelte die Stirn und sprach nicht weiter.
»Herr Hagedorn?«
Er fuhr zusammen, als wüsste er plötzlich wieder, wo er eigentlich war.
»Sie saß auf dieser Bank ...« Er lächelte.
»Haben Sie sie dorthin gesetzt?«
Hagedorn lächelte noch immer.
»Sie haben sie erwürgt, ausgezogen und auf diese Bank gesetzt. Dann haben Sie ihre Sachen angezogen und ...«
»Carmen.« Hagedorn blinzelte etwas. »Sie hieß Carmen. Carmen war sehr schön. Und so stolz. In ihren Augen hab ich es gesehen, sie wollte es so. Danke , hat sie gedacht. Danke, dass du mir hilfst. «
Er knetete seine Finger. »Ich hab unser Geschirr mitgenommen. Bestimmt wollte sie nicht, dass irgendwer dahinterkommt, dass ich ihr geholfen hab.«
Er drehte den Kopf und musterte Schuster, als sähe er ihn zum ersten Mal. »Sie hatte eine rote Katze. Ein riesiges Vieh. Ein riesiges, hässliches Tier.«
Wenn das Hektor wüsste, dachte Schuster.
»Er hat versucht, mich zu kratzen. Am liebsten hätte ich ihm den Hals umgedreht.«
»Die rote Katze gehörte der anderen Frau«, sagte Schuster leise.
Hagedorn sah ihn verwirrt an. »Was?« Dann runzelte er wieder die Stirn.
»Die Frau, die weggelaufen ist?« Die Antwort gab er sich selbst. »Nein, das kann nicht sein. Ich war ja gar nicht in ihrer Wohnung.« Er murmelte noch eine Weile vor sich hin.
»Haben Sie etwas aus den Wohnungen der Frauen mitgenommen?«
Hagedorn schüttelte den Kopf. »Ich erinnere mich nicht.«
»Einen Lippenstift? Ein Parfum?«
»Ich erinnere mich nicht.«
»Erzählen Sie mir von der anderen Frau.«
Hagedorn sah ihn verständnislos an, und Schuster half ihm auf die Sprünge. »Sie saß in diesem Haus in Tenever ...«
Hagedorn brauchte wieder einen Moment, dann nickte er schließlich. »Ja, in diesem Haus.«
»Warum nicht in den Wallanlagen?«, fragte Kuhn.
»Es war doch nicht so geplant. Ich wollte sie dort erlösen, in den Wallanlagen. Aber sie wurde so wütend. Ich musste ihr den Mund zuhalten, sie war so böse auf mich. Ich hab das nicht verstanden ...Geben Sie mir jetzt was gegen die Schmerzen!«
»Gleich. Reden Sie weiter.«
»Ich musste sie schnell erlösen, ich durfte nicht mehr warten. Ich wollte es dort tun, die Wallanlagen waren doch der perfekte Ort. Wir beide fühlten uns dort wohl. Aber so viele Menschen waren unterwegs. Also ging es nicht anders. Ich musste sie in dieses scheußliche Haus bringen. Alles war schmutzig.« Er schüttelte sich. »Ich hab sauber gemacht, so gut ich konnte. Perfekt war es nicht.« Er hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Ich hatte keine Wahl.«
»Haben Sie auch Grit mit irgendetwas betäubt?«
Hagedorn lächelte belustigt. »Nein. Sie ist doch freiwillig mitgegangen. Wir mochten uns doch.«
»Aber sie hat sich gewehrt.«
Hagedorn erstarrte. Dann nickte er heftig. »Sie hat mich gekratzt. Ich hab gesagt: Du sollst mich nicht kratzen, ich will dir doch nur helfen. « Er tippte mit dem Zeigefingerauf seine rechte Wange. »Hier. Da hat sie mich gekratzt. Ich musste sie ganz festhalten.«
»Und dann haben Sie ihr eine Schlinge um den Hals gelegt, genau wie bei Carmen.«
Hagedorns Augen leuchteten. »Ja.« Er lächelte selig. »Sie hat doch gewusst, dass es sein muss. Beide haben es die ganze Zeit gewusst.«
Er leckte sich mit der Zungenspitze über seine rauen Lippen. »Beide wollten es. Beide stolz und leidenschaftlich. Und beide wollten, dass ich es tue. Ich musste sie erlösen, und sie waren dankbar.«
»Hatten Sie eine Perücke, Hagedorn?«
Hagedorn lächelte versonnen. »Ja, das war schön, es fühlte sich an, als wäre ich sie … So stolze, schöne Frauen!«
Er schloss kurz die Augen. »Geben Sie mir jetzt was gegen die Schmerzen.«
Schuster erhob sich. »Ich sage dem Arzt Bescheid.«
Hagedorn blieb auf seinen Fersen sitzen und schaukelte vor und zurück.
Lahm wartete vor der Tür auf Schuster.
»Die ganze Zeit geht einem durch den Kopf, wie es
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