Schuster und das Chaos im Kopf - Kriminalroman
hatte.
Er hatte nicht gekniffen, hatte sich eine Wohnung angesehen und sie gleich genommen. Wenn schon, denn schon.
Er hatte Lust, sich ein bisschen die Beine zu vertreten und beschloss, einen kleinen Spaziergang zu machen, um sich ein wenig umzusehen. Vielleicht könnte er seine zukünftige Joggingstrecke aus-kundschaften, der Bürgerpark war ganz in der Nähe. Was für ein Glück, bald eine so wunderbare Laufstrecke gleich vor der Nase zu haben.
Er spazierte durch die Straßen und betrachtete ein wenig wehmütig die Bremer Häuser. Nur wenige Meter weiter entdeckte er plötzlich eine Frau, die gerade damit beschäftigt war, ihre Einkäufe aus dem Kofferraum ihres knallroten Fiats zu holen.
Die Frau kam ihm bekannt vor, er kam nur nicht darauf, woher.
Er lief weiter, und als er direkt neben ihrem Wagen war, klappte sie den Kofferraum zu und rannte ihn fast über den Haufen.
»Hoppla.«
»Oh, verzeihen Sie, bitte.« Sie hielt kurz inne, stutzte und betrachtete ihn eine Spur verwirrt. »Wir kennen uns doch.«
Jetzt hatte er sie ebenfalls erkannt. Auf seinem Hals breitete sich eine feine Röte aus, nicht knallrot, aber doch rosarot.
»Sie sind doch der Mann, der Lukas Grätsch neulich in meine Praxis ...«
»Stimmt.« Er schluckte wütend, weil er sie gerade ziemlich unhöflich unterbrochen hatte. Was sollte sie bloß von ihm denken? Er sollte sie schleunigst davon überzeugen, dass er zwar rot wie ein Teenager wurde, aber wenigstens in der Lage war, Konversation zu machen.
»Ist das Wetter nicht herrlich?«
Gott, du bist ein solcher Idiot!
Mit einer hübschen Frau Gespräche übers Wetter zu führen, davon hatte er schon immer geträumt. Ärgerlich stieß er die Luft durch die Nase.
»Oh ja, nach all dem Regen hat man sich doch sehr nach Sonne gesehnt.« Sie lächelte. Wobei sie ihre Nase kraus zog, die mit Dutzenden von Sommersprossen übersät war, und ihre haselnussbraunen Augen blitzten.
»Ich glaube, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Jana Tellmann.« Wieder schenkte sie ihm ein Lächeln, das ihn fast aus den Turnschuhen haute.
»Schuster, Heiner Schuster«, murmelte er reichlich verwirrt.
Hinter ihr tauchte ein Mädchen auf, das gleiche rotblonde Haar wie sie. »Das ist übrigens Louisa, meine Tochter.«
Sie hat eine Tochter! Sie ist verheiratet!
Wahrscheinlich mit George Clooney persönlich oder Brad Pitt oder Johnny Depp oder sonst wem, dem er, Heiner Schuster, in tausend Jahren nicht das Wasser reichen könnte.
»Sie sieht aus wie Sie.« Als es raus war, stöhnte er leise auf.
Hast du sie noch alle?
»Eigentlich kommt sie mehr nach ihrem Vater«, lachte Jana Tellmann und fuhr ihrer Tochter übers Haar.
»Tja, dann ...« Fieberhaft überlegte er, ob er noch irgendwas Gescheites sagen sollte. »Wohnen Sie hier?« War das zu aufdringlich?
Sie nickte und zeigte auf das weiße Haus direkt vor ihnen.
»Gleich hier drüben.«
»Aha.« Sollte er sagen, dass er bald ganz hier in der Nähe wohnen würde? Einen Moment rang er mit sich.
»Und Sie?« Sie hatte eine Hand auf die Schulter ihrer Tochter gelegt.
»Ich werde bald zwei Straßen weiter einziehen.«
»Dann werden wir uns vielleicht öfter mal über den Weg laufen.« Sie sagte nicht »sehen«, »wiedersehen« oder »treffen«.
»Bestimmt.« Er lächelte tapfer und verabschiedete sich hastig. Sein Gesicht glühte.
Wahrscheinlich bekam er wirklich einen Sonnenbrand ...
Sitzengelassen
Carmen Wolfrat arbeitete seit über fünf Jahren in dieser Bar, in die sich nach Mitternacht fast aus-schließlich einsame, versoffene Kerle verliefen.
Carmen war müde, auch wenn sie es gewohnt war, bis weit in die Nacht hinein zu arbeiten. Sie hatte eben beim Blick in den Spiegel festgestellt, dass sie abgespannt aussah. Nicht nur das, sie hatte Falten entdeckt, die sie vorher noch nicht gesehen hatte. Was möglicherweise am grellen Licht lag.
Sie schob ihren engen roten Rock glatt und schenkte sich ein Glas Cola ein. Vielleicht sollte sie doch lieber einen starken Kaffee trinken? Sie warf einen Blick auf ihre hübsche Armbanduhr, ein Geschenk ihrer verstorbenen Tante Helga. Es war kurz nach zwei.
Carmen seufzte. Heute wollte und wollte die Zeit nicht vergehen.
Ihre Füße taten weh. Sie lehnte sich an den Spiegelschrank, wobei sie mit ihrem Hinterteil eine der unteren Whiskyflaschen berührte. Es klirrte leise, und sie zuckte etwas zusammen.
Ihre Kollegen hatten längst Feierabend gemacht, sie selbst würde die Stellung bis drei Uhr halten
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