Schutzengel mit ohne Flügel
unterschrieben hatte, schwang er sich ans Steuer. Produktionschef Nils Westermarck übergab ihm außer dem Wagen auch eine mit Glasfiber verstärkte schwedische Trauerflagge, die Oskari auf Halbmast setzte. Die Automatik funktionierte!
Die beiden Freunde fuhren zum Hotel, holten ihre Koffer ab und warfen sie auf die Sarglafette, dann ging es los in Richtung Dänemark. Aaro Korhonen versuchte herauszufinden, wo sie einen Leichenwagen deutschen Fabrikats kaufen könnten.
Viivi rief an und erzählte, dass das Büchercafé inzwischen recht gut besucht sei. Zweimal benutzte sie das Wort »schrecklich« in unterschiedlichen Zusammenhängen. Irgendwie hatte sie schreckliche Sehnsucht nach Aaro, und Fräulein Nuutinen hielt sie in vielerlei Hinsicht für einen schrecklichen Menschen.
Als die Männer die Brücke über den Großen Belt überquerten, beschlossen sie, auf der Rückfahrt auszuprobieren, wie die Leichenwagen im Ernstfall beschleunigten und fuhren. Aber zunächst ging es, mit der Flagge auf Halbmast, gen Berlin, denn es galt, für Lindell einen zweiten Wagen zu besorgen, zur Abwechslung ein deutsches Modell.
Die schwedischen und dänischen Beamten kassierten für den Leichenwagen keine Brückengebühren, und Zollformalitäten gab es ebenfalls nicht.
Zwischen den Frauen in der Mechelininkatu herrschte eine an einen Stellungskrieg erinnernde latente Feindschaft, aber sie waren gezwungen, irgendwie miteinander klarzukommen. Als Viivi Aaros Wohnung putzte, entschied sie, dass es Zeit fürs Teppichwaschen wäre. Fräulein Nuutinen lud verdrießlich die Teppiche in den Kofferraum eines Taxis, zugleich aber sagte sie sich, dass es an dem schönen Sommertag vielleicht sogar Spaß machen würde, draußen zu waschen und Aaro zu helfen. Sie fuhren an den Strand von Kaivopuisto, wo bereits etliche Frauen und Männer, sogar ganze Familien, bei der Arbeit waren.
Die Stadt hatte auf Druck der Naturschützer die Teppichstege vom Meer weg auf die Uferfelsen verlegen müssen. Die Kernseife verschmutzte angeblich den Strand. Die Allgemeinheit fand, dass die Waschzeremonie dadurch ihren besonderen Reiz verloren hatte. Was machte es denn schon, wenn an den Strand einer Großstadt ein paar Tropfen Seifenwasser flossen?
Sulo Auvinen war derselben Meinung, und er beschloss, sich der Sache anzunehmen. Auf den Uferfelsen lungerten mehrere Obdachlose herum und sonnten sich. Der Engel gewann zehn von ihnen für die Aufgabe, die Stege wieder ins Wasser zu tragen.
»Hau ruck! Hau ruck!«
Bald waren die Stege im Meer. Aber die Männer hatten versäumt, sie rechtzeitig an ihren neuen Standorten zu verankern. Eine leichte Brise wehte die Pontons mitsamt den Wäschern und Teppichen zur nächsten Insel. Erst abends gelang es den Arbeitern aus dem städtischen Park gemeinsam mit der Feuerwehr, die Stege über die schmale Bucht wieder zurückzuholen.
Obwohl ein kleines Malheur passiert war, war Sulo Auvinen dennoch froh, dass die Wäsche jetzt sauber war und nach frischem Meerwasser roch.
Fräulein Nuutinen und Viivi Ruokonen kehrten mit ihrer Fuhre in die Mechelininkatu zurück, wo sie die Teppiche zum Trocken auf den Dachboden brachten. Ritva Nuutinen dachte bei sich, dass damit ein guter Anfang gemacht war. Aaros Flickenteppiche waren jetzt sauber. Für das Zusammenleben waren gute Voraussetzungen geschaffen. Mit der Zeit würde das auch Viivi verstehen und aufhören, sich bei dem alten Mann Chancen auszurechnen.
Schutzengel Sulo Auvinen seufzte schicksalsergeben und sagte sich, dass Fräulein Nuutinen dann also, zumindest vorläufig, in Helsinki bleiben mochte. Nicht mal die geistigen Kräfte eines Engels reichten aus, um die verliebte Frau nach Lieksa zurückzuschicken.
18
AMALIAS UND ELSAS
LEBENSENDE
IN DEUTSCHLAND
Das nächstgelegene Montagewerk von Mercedes-Benz befand sich in Stuttgart, wohin Aaro Korhonen von unterwegs telefonischen Kontakt aufnahm. Er teilte mit, dass er und sein Kollege zu Untersuchungszwecken anreisten, sie wollten die Konkurrenzfähigkeit von Volvo und Mercedes bei Begräbnisfahrten prüfen, und er hoffe, dass das Autowerk dem Vorhaben mit dem gebührenden Interesse begegne. Weiter führte er aus, dass er den finnischen Bestattungsunternehmer Lindell vertrete, der sich den Ruf des Marktführers in den nordischen Ländern erworben habe und der gute und gemäßigte Geschäftsprinzipien zu schätzen wisse. Wenn also das Fahrzeug den Erwartungen entspreche, könne man eventuell handelseinig
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