Schutzlos: Thriller (German Edition)
machen. Ich kann veranlassen, dass sie umgesiedelt werden. Ich werde auch Sie während des gesamten Verfahrens beschützen, und wenn Sie vollständig kooperieren, werde ich dem FBI und dem Staatsanwalt empfehlen, das bei der Anklage und beim Strafmaß zu berücksichtigen.«
»Können Sie meine Familie vor Henry Loving beschützen?«, flüsterte er.
»Ja«, versprach ich. »Ich werde Sie auch vor ihm beschützen.«
Er rang mit sich. Ich betrachtete Zagaews Amulett, Alexander II. mit seinem eindrucksvollen Schnauzbart. Wenn auch unbestreitbar der liberalste der Zaren, der die Leibeigenschaft abschaffte, wurde er von Revolutionären ermordet.
»Also gut, ja. Also gut.« Er sackte zusammen.
Ich nahm auf meinem ursprünglichen Stuhl Platz, und Bert kehrte zu ihrem zurück.
Meine Organisation foltert nicht, um an Informationen zu gelangen. Nicht einmal Waterboarding. Wir haben diese Entscheidung aus zwei Gründen getroffen. Erstens ist es verboten – dieses Land ist immerhin ein Rechtsstaat. Zweitens haben wir uns mit dem Thema befasst und festgestellt, dass es im Großen und Ganzen ineffizient ist. Alle Informationen, die man von einem gefolterten Gefangenen bekommt, zu verarbeiten und zur Wahrheit zusammenzusetzen, dauert im Allgemeinen wesentlich länger, als es dauert, wenn man weichere Verhörmethoden anwendet. So oder so funktioniert Folter nur bei einer kleinen Zahl von Personen.
Bert Santoro war auch nicht unser hiesiger Großinquisitor. Sie war die Büroleiterin unserer Zentrale in der Altstadt, die
Frau, die Spesenabrechnungen und Etats prüfte und Büromöbel und Computer bestellte. Mit unseren Operationen hatte sie nichts zu tun. Mit vier wundervollen Kindern und einem netten Ehemann war Bert eine Regierungsangestellte im Großraum D. C. wie Tausende andere auch. Aber sie besaß eine kalte Schönheit, die sie für die Rolle der stahlharten Agentin prädestinierte, die es genoss, Fingernägel auszureißen oder Elektroden anzuwenden, um den Verhörten Informationen zu entlocken.
»Wer ist sie?«, flüsterte mir Zagaew zu. Er sah sie an. »Warum sagen Sie nichts?«
Bert, die wahrscheinlich gerade an etwas wie meine überfällige Spesenabrechnung dachte, brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.
»Aslan?«, sagte ich.
Mit einem letzten Blick auf das rote Kunststoffkästchen, das nur Make-up enthielt, wie ich zufällig wusste, seufzte er, und ich hörte die Handschellen klappern, als er die Schultern noch weiter hängen ließ. »Natürlich dachten Sie, dass ich zu einer Verschwörung gehöre, zu irgendeinem furchtbaren Plan, die Ungläubigen zu Fall zu bringen. Was für ein Unsinn! Nein, nein, bei meinem Plan ging es um Geschäfte. Sehen Sie, wie sehr ich schon zum Amerikaner geworden bin? Das ist alles, was mich interessiert. Der allmächtige Dollar.«
Er schien besorgt zu sein, weil mein Notizbuch zu war. »Bitte, das ist meine Geschichte. Sie können sie aufschreiben.«
Jede Silbe wurde natürlich von einer versteckten Videokamera samt Audiosystem aufgezeichnet – die Kamera neben der Tür war ebenfalls nur ein dramatisches Requisit. Ich hielt es jedoch für besser, ihn nicht wissen zu lassen, dass er heimlich aufgezeichnet wurde, deshalb schlug ich mein Notizbuch auf.
»Vor Jahren, ja, da kannte ich das Paar, das in dem Deli gearbeitet hat, das Paar, das von Ihren … das gestorben ist. Ich habe sie nicht geachtet. Ich war an ihrer Sache nicht interessiert. Aber
ich war an dem Geld interessiert, das sie mir zahlten. Was nicht unerheblich war. Sie haben die Unterlagen gesehen, oder? Dann wissen Sie Bescheid. Nach ihrem Tod habe ich getrauert – aber nur über den Verlust des Einkommens.
Ich führte ein mehr oder weniger erfolgreiches Leben hier. Aber ist Erfolg nicht ein flüchtiges Ziel? Ich hatte ein paar Probleme finanzieller Natur. Die Wirtschaft. Wer braucht Teppiche, wenn er die Ratenzahlungen für sein Haus nicht mehr leisten kann? Wer geht in mein wundervolles Restaurant essen, wenn er seine Kinder mit Tiefkühlkost ernähren muss? Wie konnte ich mehr Geld verdienen? Hatte ich irgendwelche Dienste anzubieten? Dann kam mir ein Gedanke. Angenommen, ich könnte mehr über die Operation gegen die Pakistanis in dem Deli vor sechs Jahren in Erfahrung bringen? Wie viel wäre das wohl wert? Ich erinnerte mich an die Frau, die Point Control Officer bei dem Einsatz gewesen war: Joanne Kessler. Auch wenn sie inzwischen im Ruhestand war, besaß sie doch sicherlich wertvolle Informationen oder
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